Leitsatz
- Der Tatbestand der Beihilfe zur Steuerhinterziehung ist erfüllt, wenn der Gehilfe dem Haupttäter, der sog. Schwarzgeschäfte tätigt, die Tat dadurch erleichtert, dass dieser annehmen kann, auch in der Buchführung des Gehilfen nicht in Erscheinung zu treten.
- Bei einer vorsätzlichen Beihilfe zur Steuerhinterziehung ist die Inanspruchnahme des Gehilfen als Haftungsschuldner auch ohne nähere Darlegung der Ermessenserwägungen als ermessensgerecht nach § 102 FGO anzusehen; die Vorprägung der Ermessensentscheidung durch die Teilnahme an der Steuerhinterziehung ist nicht nur für die Inanspruchnahme dem Grunde nach, sondern auch für die Inanspruchnahme der Höhe nach gegeben.
Sachverhalt
Der Kläger war Kommanditist einer GmbH & Co. KG (KG), die einen Lebensmittelgroßhandel für Restaurants betrieb, und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Von der KG bezog u.a. Restaurantinhaber L Ware. Wie viele andere Kunden gab L bei seinen Bestellungen an, über welche Waren er eine ordnungsgemäße Rechnung wünschte und über welche lediglich eine Barverkaufsrechnung ohne Namen und Adresse. Die KG nahm das auf und verbuchte die Rechnungen mit Kundenangabe auf dem Kundenkonto, die Barverkaufsrechnungen über ein anonymes Sammelkonto. Bei Durchsuchungen stellte das Finanzamt fest, dass L in erheblichem Umfang Einnahmen sowie Ausgaben für die über Barverkaufsrechnungen von der KG bezogenen Waren nicht verbucht und insgesamt 511109 DM an Einkommen- und Umsatzsteuer hinterzogen hatte. Dementsprechend wurden Steuern gegen L festgesetzt, jedoch nicht gezahlt. Pfändungsversuche bei L blieben erfolglos. L wurde rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung verurteilt, wobei das LG von hinterzogenen Steuern von 395567 DM ausging. Ein gegen den Kläger wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung eingeleitetes Strafverfahren wurde gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt. Das Finanzamt erließ gegen den Kläger einen Haftungsbescheid wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung des L und nahm den Kläger in Höhe von 208846 DM in Anspruch. Das FG wies die Klage ab.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids. Nach § 71 AO haftet für verkürzte Steuern, wer eine Steuerhinterziehung begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt; er kann nach § 191 AO durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Im Streitfall hat der Kläger zu der von L begangenen Steuerhinterziehung objektiv und subjektiv Beihilfe geleistet. Er hat die Haupttat des L objektiv unterstützt und gefördert. L konnte nämlich aufgrund des Rechnungssplittings durch die KG davon ausgehen, dass er als Abnehmer von Waren auch in der Buchführung der KG nicht in Erscheinung treten würde, soweit es sich um Waren handelte, für die lediglich Barverkaufsrechnungen ohne Namen erstellt worden waren. Den subjektiven Tatbestand der Beihilfe hat der Kläger erfüllt, weil ihm das Rechnungssplitting bekannt war und er erkennen konnte, dass dieses keinem anderen Zweck dienen sollte, als eine Steuerhinterziehung vorzubereiten.
Die Haftungsinanspruchnahme durch das Finanzamt war dem Grunde, der Höhe und der Auswahl nach ermessensfehlerfrei. Bei einer vorsätzlichen Beihilfe zur Steuerhinterziehung brauchen die Ermessenserwägungen des Finanzamts nicht im Einzelnen dargelegt werden; vielmehr gilt die Ermessensentscheidung in solchen Fällen sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach als vorgeprägt. Das Auswahlermessen hat das Finanzamt fehlerfrei ausgeübt, weil es den Kläger und einen weiteren Kommanditisten in Anspruch genommen, einen dritten Kommanditisten hingegen nicht herangezogen hat, weil dieser in einem anderen Bereich tätig war.
Praxishinweis
Im Streitfall war auch die KG durchsucht und dabei der Entwurf eines Schreibens der KG an ihre Kunden mit folgendem Inhalt gefunden worden: "Wir bitten … zu beachten, dass als Barrechnungen charakterisierte Rechnungen Bestandteil unserer Buchhaltung sind und jederzeit, aufgrund des individuellen Kunden-Codes, der Empfänger der Ware und damit der Rechnung nachvollzogen werden kann." Selbst wenn die KG ein solches Schreiben an L geschickt haben sollte, würde dadurch der Gehilfenvorsatz ihrer Verantwortlichen nicht ausgeschlossen. Dafür reicht es nämlich, dass der Gehilfe in dem Bewusstsein handelt, durch sein Verhalten das Vorhaben des Haupttäters zu fördern. Nicht entscheidend ist, ob er den Erfolg der Haupttat wünscht oder ihn lieber vermeiden würde. Selbst wenn er unter diesen Voraussetzungen dem Täter ausdrücklich erklärt, er missbillige die Tat, ändert das nichts an seinem Gehilfenvorsatz.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 21.1.2004, XI R 3/03