Keine Haftungsprivilegierung
Eine Haftungsprivilegierung nach §§ 105, 106 SGB VII kommt nach Auffassung des OLG Naumburg nicht in Betracht, wenn Unternehmen auf derselben Baustelle lediglich zusammentreffen, ohne dass eine wechselseitige Verbindung zwischen den Tätigkeiten die Bewertung als eine gemeinsame Betriebsstätte rechtfertigt.
Ungesichertes Blech
Es ging um die Schmerzensgeldforderung eines Malers, der mit Dachdeckern der beklagten fremden Firma auf demselben Baugerüst arbeitete. Mitarbeiter der Beklagten hatten am Unfalltag ein Zinkblech in der Regenrinne des Neubaus ungesichert abgelegt, um es später zu montieren. Durch einen Windstoß wurde das Blech heruntergeweht und verletzte den Kläger schwer an der Hand.
Anspruch auf Schmerzensgeld
Nach Meinung des OLG stand dem verletzten Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes gemäß §§ 831 Abs. 1, 823 Abs. 1 in Verbindung mit § 253 Abs. 2 BGB zu. Die Mitarbeiter der Beklagten hätten als Verrichtungsgehilfen den objektiven Tatbestand einer unerlaubten Handlung rechtswidrig verwirklicht. Die ungesicherte Ablage eines Zinkblechs auf der Regenrinne sei mit besonderen Gefahren verbunden gewesen, da die Regenrinne dem Blech keinen sicheren Halt geboten habe. In einem solchen Verhalten liege eine Pflichtwidrigkeit begründet, da die Mitarbeiter insbesondere wegen der Arbeit in der Höhe mit stärkeren Winden hätten rechnen müssen.
Kriterien der gemeinsamen Betriebsstätte
Die Beklagte konnte sich auch nicht auf eine Haftungsprivilegierung ihrer Mitarbeiter gemäß §§ 106 Abs. 3 Nr. 3 i. V. m. 105 SGB VII berufen, da vorliegend nicht von einer "gemeinsamen Betriebsstätte" auszugehen war. Der Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte steht nämlich für betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinandergreifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder unterstützen. Dies kann zwar auch stillschweigend durch bloßes Tun erfolgen. Die Vorschrift des § 106 Abs. 3 Fall 3 SGB VII greift aber nicht bereits dann ein, wenn Versicherte zweier Unternehmen auf derselben Betriebsstätte aufeinandertreffen. Erforderlich ist vielmehr eine gewisse Verbindung zwischen den Tätigkeiten.
Vorliegend standen die Malerarbeiten an der Hausfassade, die der Kläger ausgeführt hatte, in keinem sachlichen Zusammenhang zu den Dachdeckerarbeiten der Beklagten. Allein der Umstand, dass zur Fertigstellung des Gebäudeneubaus beide Gewerke herangezogen worden waren, begründete keine gemeinsame Betriebsstätte. Auch die Benutzung desselben Gerüsts zur selben Zeit durch die Mitarbeiter beider Unternehmen führte nicht zur Anwendbarkeit der Haftungsprivilegierung.
(OLG Naumburg, Urteil v. 24.7.2014, 2 U 9/14)