Leitsatz
Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 9 AO beginnt, wenn die angezeigte Steuerverkürzung dem Grunde nach individualisiert werden kann, der Steuerpflichtige also Steuerart und Veranlagungszeitraum benennt und den Sachverhalt so schildert, dass der Gegenstand der Selbstanzeige erkennbar wird.
Sachverhalt
K übersandte dem Finanzamt am 6.11.1998 ein Schreiben, das mit "Strafbefreiende Selbstanzeige nach § 371 AO" überschrieben war. Er erklärte, in Bezug auf diverse Steuern unrichtige Angaben über die Höhe betrieblicher Einnahmen gemacht zu haben. Mangels Unterlagen sei keine genaue Angabe zu den tatsächlichen Einnahmen sondern nur eine Schätzung möglich. Im Juni 1999 legte K dem Finanzamt erstmals Unterlagen – auch für das Streitjahr 1987 – vor. Das Finanzamt erließ darauf entsprechend geänderte Bescheide. Hiergegen wandte K ein, für 1987 sei zum 31.12.1998 Festsetzungsverjährung eingetreten. Das FG gab der Klage statt. Der BFH widersprach dem.
Entscheidung
Eine wirksame Selbstanzeige setzt voraus, dass bereits auf der ersten Stufe alle erforderlichen Angaben über die sämtliche steuerlich erheblichen Tatsachen, notfalls auf der Basis einer Schätzung anhand bekannter Informationen, berichtigt, ergänzt oder nachgeholt werden.
Dies gilt auch, wenn dem Steuerpflichtigen mangels Unterlagen eine genau bezifferte Selbstanzeige nicht möglich ist. Die Angaben müssen in jedem Fall so geartet sein, dass das Finanzamt auf ihrer Grundlage in der Lage ist, ohne langwierige Nachforschungen den Sachverhalt vollends aufzuklären und die Steuer richtig festzusetzen. Sonst liegt keine wirksame Selbstanzeige vor.
Eine insoweit unwirksame Selbstanzeige kann dennoch die Festsetzungsverjährung hemmen.
Für den Beginn der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 9 AO reicht es aus, dass die angezeigte Steuerverkürzung dem Grunde nach individualisiert werden kann. Dies setzt voraus, dass der Steuerpflichtige Steuerart sowie Veranlagungszeitraum benennt und den Sachverhalt so schildert, dass der Gegenstand der Selbstanzeige erkennbar wird.
Mit dieser Auslegung werden Wertungswidersprüche vermieden. Sonst könnte das Finanzamt die hinterzogene Steuer gegen einen in vollem Umfang ehrlich gewordenen Steuerpflichtigen im Rahmen des § 171 Abs. 9 AO festsetzen, während bei einem Steuerpflichtigen, der nur unvollständige Angaben macht, die Ablaufhemmung nicht greifen würde.
Zudem ist zu beachten, dass auch eine Anzeige nach § 153 AO die Ablaufhemmung auslöst.
Führt die pflichtgemäße Korrektur von Angaben, die zunächst nur fahrlässig falsch gemacht wurden, zu einer Ablaufhemmung, muss Gleiches auch für die unvollständige Korrektur vorsätzlich falscher Angaben gelten.
Hinweis
Hieraus wird deutlich, dass der Steuerpflichtige bei einer Selbstanzeige sorgfältige und umfassende Angaben machen und – falls die erforderlichen Unterlagen nicht zeitnah beschafft werden können – seine Schätzung im Zweifel eher am oberen Rand des Rahmens ansiedeln muss.
Link zur Entscheidung
BFH, 21.04.2010, X R 1/08.