Leitsatz (amtlich)
Eine auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Be-schluss beruhende Gewinnausschüttung führt bei der ausschüttenden Gesellschaft zur Herstellung der Ausschüttungsbelastung unabhängig davon, ob eine vorangegangene Veräußerung der Anteile an dieser Gesellschaft (sog. Anteilsrotation) als rechtsmissbräuchlich zu beurteilen ist.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, wurde 1984 gegründet. Gegenstand ihres Unternehmens ist die Vermögensanlage in Immobilien und deren Vertrieb. Gesellschafter der Klägerin waren zu je 25 % R, W, G und P. Diese gründeten 1988 die O-GmbH. Mit Vertrag vom 19.10.1989 veräußerten R, W, G und P ihre Gesellschaftsanteile an der Klägerin an die O-GmbH. Am 27.10.1989 verkaufte die Klägerin die ihr gehörenden Immobilien. Danach bestand das Aktivvermögen der Klägerin insbesondere aus Forderungen und Bankguthaben. Die Einnahmen der Klägerin ergaben sich aus den Finanzanlagen und aus nachträglichen Arbeiten an den veräußerten Immobilien. Am 29.10.1991 beschloss die Gesellschafterversammlung der Klägerin für 1990 eine Gewinnausschüttung von ca. 2,5 Mio. DM, die am 15.12.1991 erfolgte. Die O-GmbH nahm wegen ausschüttungsbedingter Minderung der Beteiligung an der Klägerin eine Teilwertabschreibung von ca. 2,8 Mio. DM vor. Die Klägerin beantragte wegen der Gewinnausschüttung für das Jahr 1990 eine Änderung des KSt-Bescheids 1990 unter Berücksichtigung einer Minderung der KSt. Dem folgte das Finanzamt unter Hinweis auf § 42 AO nicht. Das FG wies die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH die Vorentscheidung auf und gab der Klage statt.
Entscheidungsgründe
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob im Streitfall die Grundsätze seines Urteils vom 23.10.1996 anzuwenden sind, wonach die entgeltliche Übertragung von GmbH-Anteilen auf eine neu gegründete GmbH zwecks Verrechnung von künftig auszuschüttenden Beteiligungserträgen mit einer ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung dann nicht missbräuchlich i.S. des § 42 AO ist, wenn die Anteilsübertragung auf Dauer angelegt war, und ob die bezeichnete Voraussetzung vorliegt. Selbst wenn sich der Verkauf der Anteile durch die Gesellschafter an die von ihnen gegründete O-GmbH als Gestaltungsmissbrauch darstellen sollte, könnten die sich aus § 42 AO ergebenden Rechtsfolgen nicht die Besteuerung der Klägerin als "veräußerte" Kapitalgesellschaft berühren. Die von ihr für das Streitjahr vorgenommene Gewinnausschüttung als solche ist nicht missbräuchlich. Mit der Ausschüttung macht sich die Klägerin kein der Steuerersparnis dienendes missbräuchliches Verhalten Dritter zu eigen. Sie hat daraus auch keinen ungerechtfertigten Steuervorteil gezogen. Die Ausschüttung beruht auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss für das abgelaufene Jahr 1990. Daher führt sie im Jahr 1990 zur begehrten Minderung der KSt aufgrund der Herstellung der Ausschüttungsbelastung. Die von Finanzamt und BMF - im Anschluss an die Vorentscheidung - mit der Zahlung des Kaufpreises für die Anteile an der Klägerin durch die O-GmbH im Jahr 1989 angenommene "Ausschüttung" an die ursprünglichen Anteilseigner bedeutet daher - jedenfalls im Hinblick auf die Klägerin - die Zugrundelegung eines anderen Sachverhalts, nicht hingegen die Fiktion einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung i.S. des § 42 AO.
Link zur Entscheidung
BFH vom 23.8.2000 – I R 4/97