Rz. 56
Sieht man von den vorstehend aufgezeigten Erscheinungsformen und den Wohnungsgenossenschaften (alsbald unten 5) ab, so ist die an der Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 a. F. GenG orientierte Aufzählung keineswegs abschließender Natur; vielmehr haben sich in jüngster Zeit eine Vielzahl neuerer Genossenschaftsformen entwickelt, die sich nach der nunmehr eröffneten Zulassung von Idealgenossenschaften noch einmal deutlich erweitern dürfte. Zu den bedeutendsten zählen die zunehmende Zahl von Dienstleistungsgenossenschaften, beispielweise im Bereich der Datenverarbeitung, wie die DATEV eG im Bereich der steuerberatenden Berufe, ärztliche Laborgemeinschaften und Abrechnungsstellen sowie Ärztehäuser und Gemeinschaftspraxen und Kooperationen selbstständiger Handwerksbetriebe, insbesondere im Baugewerbe, welche die Mitgliedsunternehmen in die Lage versetzen, im Wettbewerb zu Großunternehmen das gesamte Spektrum von Bau- und Baunebenleistungen anzubieten (siehe Bauer § 1 RN 92).
Rz. 57
Gerade zur Förderung der Kooperation kleinerer Unternehmen hat der Gesetzgeber im Rahmen der Genossenschaftsnovelle 2006 den Zugang zur genossenschaftlichen Rechtsform spürbar erleichtert. So bedarf es zur Gründung nurmehr dreier Mitglieder. Die satzungsmäßige Zulassung von Sacheinlagen (§ 7 a Abs. 3) eröffnet zugleich die Möglichkeit, durch Einbringung von Betriebsmitteln die erforderliche Finanz- und Kreditgrundlage der Genossenschaft zu gewährleisten. Zudem können Genossenschaften mit nicht mehr als 20 Mitgliedern im Rahmen der Satzungsgestaltung auf einen Aufsichtsrat verzichten (§ 9 Abs. 2 S. 2) und die Zahl der Vorstandsmitglieder auf eine Person beschränken (§ 24 Abs. 2 S. 3). Die mit der Genossenschaftsnovelle 2017 (BGBl. I. S. 2434) eingeführte Regelung des § 27 Abs. 3 ermöglicht es den Kleinstgenossenschaften zudem, durch die Satzung den Vorstand an Weisungen der Generalversammlung zu binden. Darüber hinaus ist bei Genossenschaften, deren Bilanzsumme 1,5 Millionen Euro oder deren Umsatzerlöse 3 Millionen Euro nicht übersteigen, eine Prüfung des Jahresabschlusses nicht erforderlich (§ 53 Abs. 1). Zugleich eröffnet § 53 a für Kleinstgenossenschaften im Sinne von § 336 Abs. 2 Satz 3 HGB, deren Satzung keine Nachschusspflicht der Mitglieder vorsieht und die im maßgeblichen Prüfungszeitraum von ihren Mitgliedern keine Darlehen nach § 21 b Abs. 1 GenG entgegengenommen haben, die Möglichkeit, jede zweite Prüfung gemäß § 53 Abs. 1 auf eine vereinfachte Prüfung im Wege der Durchsicht einzureichender Unterlagen durch den Prüfungsverband zu beschränken.
Rz. 58
Sieht man hiervon ab, so eröffnet § 43 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 für Genossenschaften, bei denen mehr als drei Viertel der Mitglieder als Unternehmer im Sinne von § 14 BGB Mitglied sind, in erheblich erweitertem Umfange die Möglichkeit, durch Begründung von Mehrstimmrechten den Binneneinfluss der Mitglieder den jeweiligen Beteiligungsverhältnissen sowie dem Umfang der Nutzung der genossenschaftlichen Einrichtungen anzupassen. Sind sämtliche Mitglieder Unternehmen, so kann zudem gem. § 65 Abs. 2 S. 3 durch Vereinbarung einer Kündigungsfrist von bis zu zehn Jahren die Finanzgrundlage und damit die Kreditfähigkeit der eG deutlich gestärkt werden.