Rz. 63
Im Vordergrund der wirtschaftlichen Zwecksetzung der Wohnungsgenossenschaften steht regelmäßig die Überlassung von Wohn- und Gewerberäumen zur Nutzung seitens ihrer Mitglieder. Was dabei die rechtliche Ausgestaltung der Beziehungen zwischen der Genossenschaft und ihren Mitgliedern betrifft, so gilt es zunächst, das in der Satzung gründende körperschaftliche Mitgliedschaftsverhältnis von dem aus der Überlassung der Räumlichkeiten folgenden – meist schuldrechtlichen – Nutzungsverhältnis zu unterscheiden. Die systematische Trennung und rechtliche Einstufung beider Ebenen erweist sich mitunter als schwierig, da die Praxis – was die Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses betrifft – nicht ganz einheitlich verfährt. So fehlt es teilweise an jeglicher vertraglichen Ausgestaltung der (Wohnraum-) Überlassung und die Regelung des Nutzungsverhältnisses bleibt ausschließlich der Satzung – wenn auch nicht selten in recht unvollständiger Weise – überlassen. Demgegenüber liegt dem Nutzungsverhältnis bei den meisten Wohnungsgenossenschaften eine gesonderte Vereinbarung in Form eines (Dauer-) Nutzungsvertrags zugrunde, der die Förderbeziehung zwischen dem Mitglied und der Genossenschaft unter Bezug auf die Vorgaben der Satzung inhaltlich konkretisiert (vgl. MusterNV §§ 1, 4) und hinsichtlich der gegenseitigen Rechte und Pflichten näher ausgestaltet. Letztlich bleibt es den Parteien unbenommen, durch ausdrückliche Vereinbarung die Nutzungsbeziehung losgelöst von der Mitgliedschaft auszugestalten und alleine den schuldvertraglichen Bindungen des bürgerlichen Mietrechts (§§ 535 ff. BGB) zu unterwerfen. Dies ändert allerdings nichts an dem Umstand, dass auch im Rahmen einer solchen weitgehenden ›Verselbstständigung‹ des Nutzungsverhältnisses die korporativen ›Ausstrahlungen‹ der Mitgliedschaft, insbesondere die genossenschaftliche Treuepflicht und der (relative) Gleichbehandlungsgrundsatz, hinsichtlich der Art und Weise der Vertragsdurchführung und gegebenenfalls -beendigung Wirkung entfalten.
Rz. 64
Sieht man hiervon ab, so stellt sich notwendig die Frage, ob und in welchem Umfange sich die rechtliche Ausgestaltung der Nutzungsbeziehung und die hieraus fließenden Rechte und Pflichten der Parteien im konkreten Einzelfalle nach den Vorgaben des Genossenschaftsrechts, des (sozialen) Mietrechts oder nach Maßgabe beider Regelungsbereiche bestimmen und wie im Konfliktfalle einander widersprechenden Bestimmungen des Genossenschafts- sowie des Mietrechts funktional zum Ausgleich zu bringen sind. Hier offenbart sich zum Teil in exemplarischer Weise der mitunter deutlich spürbare Regelungswiderspruch zwischen dem Bemühen um genossenschaftliche Verbandsautonomie und den im Lichte ihrer sozialstaatlichen Regelungsfunktion meist zwingenden Vorgaben des sozialen Mietrechts. Zum Teil wird dem hier zutage tretenden Konfliktpotential in der Weise Rechnung getragen, dass man das Nutzungsverhältnis in seiner Gesamtheit als Rechtsbeziehung von ›körperschaftlicher‹ (in diese Richtung andeutungsweise BGH NJW 1960, S. 2142 f.) oder schuldrechtlicher und damit grundsätzlich ›mietrechtlicher‹ Natur (so jetzt eindeutig BGH NJW-RR 2004, 12 = ZMR 2003, 904 = NZM 2004, 25) einstuft. Führt die erste Betrachtungsweise zu einem gewissen Vorrang der genossenschaftsrechtlichen Wertungen und damit regelmäßig zu einem ›mehr‹ an verbandsautonomer Gestaltungsfreiheit, so verleiht der zweite Ansatz den Bestimmungen des Mietrechts ein größeres Gewicht.
Rz. 65
Richtet man den Blick auf die hinter den divergierenden dogmatischen Ansätzen stehenden inhaltlichen Erwägungen, so kann keine dieser – weitgehend formalen – Sichtweisen völlig überzeugen. Diese werden denn auch – trotz ihres unterschiedlichen Ansatzes – kaum in ›Reinkultur‹ vertreten. Notwendig erscheint es insofern vielmehr, die abweichenden materialen Wertungsgesichtspunkte des Genossenschafts- sowie des Mietrechts in ihrer maßgeblichen Funktion und Zweckrichtung deutlich herauszuarbeiten und im Konfliktfall im Wege ›praktischer Konkordanz‹ zum Ausgleich zu bringen. Nur eine solche – inhaltliche – Betrachtungsweise trägt letztlich dem Umstand Rechnung, dass sich die Mitglieder als Nutzer der Genossenschaftswohnung zwangsläufig in einer sich wechselseitig bedingenden ›Doppelstellung‹ als korporativ verbundene Anteilseigner der Genossenschaft und Parteien der schuldrechtlichen Leistungsbeziehung befinden.
Rz. 66
Insofern erweist sich der Erwerb der Mitgliedschaft aus Sicht der Nutzer als – unabdingbare – rechtliche Voraussetzung und damit als wirtschaftliches Mittel zum Zwecke der Erlangung der Förderleistung, d. h. regelmäßig: der Wohnung. Zugleich erfolgt die mit dem Nutzungsvertrag verbundene Überlassung der Räumlichkeiten aus Sicht der Genossenschaft nachgerade in Erfüllung des Förderauftrags als satzungsmäßigem Zweck des Verbandes. Will man beiden Aspekten gleichermaßen Rechnung tragen, so richtet sich das Augenmerk zunächst notwendig auf die – bei genauerer Analyse nur zum Teil divergierenden – rec...