1 Zweck der Regelung
Rz. 1
Die durch die Novelle 2006 neu gefasste Bestimmung benennt – wenn auch in unvollständiger Weise – die rechtlichen Grundmerkmale eingetragener Genossenschaften (eG) im Sinne des GenG und grenzt somit diese im Verhältnis zu anderen Gesellschaftsformen, insbesondere den Kapitalgesellschaften (AG, KGaA, GmbH) sowie den Personengesellschaften (GbR, oHG, KG), ab. Die hier statuierten Vorgaben finden ihre systematische Ergänzung in den Bestimmungen der §§ 2 und 17. Zugleich betont und verdeutlicht § 1 Abs. 1 den kooperativen Förderzweck als ›charakteristisches Merkmal‹ der Rechtsform der Genossenschaft (Regierungsbegründung zum ›Gesetz zur Einführung der Europäischen Genossenschaft und zur Änderung des Genossenschaftsrechts‹, BT-Drucks. 16/1025 vom 23.03.2006, erneut abgedruckt bei Keßler/Herzberg, Das neue Genossenschaftsrecht, Hamburg 2006, S. 177 ff., zu Nr. 2 – § 1 GenG lit. a.). Anders als die bis zum 17.08.06 geltende Fassung verzichtet die Neuregelung dabei auf die beispielhafte Aufzählung einzelner Genossenschaftsarten, da diese teilweise überholt war ›und für deren Fortbestand in aktualisierter Form kein Bedürfnis (mehr) besteht‹ (RegBegr. zum GenG, BT-Drucks. 16/1025, S. 80). Dies folgt nicht zuletzt aus dem Umstand, dass die Förderorientierung nach geltendem Recht nicht mehr ausschließlich auf ›den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder‹ beschränkt ist, sondern darüber hinaus auch ›deren soziale oder kulturelle Belange‹ und damit ideelle Zielsetzungen erfasst. Abs. 2 stellt klar, dass sich die Genossenschaft nach Maßgabe sowie in den Grenzen ihres Förderzwecks an anderen Körperschaften und Gesellschaften beteiligen kann.
Rz. 2
Im Übrigen erfassen die Regelungen des Genossenschaftsgesetzes nur Genossenschaften im ›formellen‹ Sinne. Kooperative Selbsthilfeeinrichtungen von privaten Haushalten oder Unternehmen lassen sich – bei entsprechender Ausgestaltung der (gesellschafts-) vertraglichen Regelungen – auch in anderen Rechtsformen, insbesondere derjenigen der GmbH, der AG oder des e. V., betreiben. Insofern diese Einrichtungen dem Konzept gegenseitiger Selbsthilfe verpflichtet sind, spricht man zutreffend von Genossenschaften im ›materiellen‹ Sinne, die den normativen Voraussetzungen der jeweiligen Rechtsform unterworfen bleiben, ohne dass die Bestimmungen des GenG insofern ergänzende Anwendung finden.
2 Die Rechtsnatur der eG
Rz. 3
Als ›Gesellschaft von nicht geschlossener Mitgliederzahl‹ ist die Genossenschaft körperschaftlich strukturiert und daher in ihrem Bestand unabhängig vom Wechsel der Mitglieder. Der Ein- und Austritt von Mitgliedern lässt die Existenz der Genossenschaft folglich unberührt. Sie ist insofern – wie die Kapitalgesellschaften – eine gesetzlich geregelte Sonderform des Vereins gem. § 21 BGB. Die Bestimmungen der §§ 24 ff. BGB finden somit auf die Genossenschaft ergänzende Anwendung, soweit sich aus den Regelungen des GenG und dem Förderzweck nichts Abweichendes ergibt. Zugleich ist die Leitungsverfassung der eG – insbesondere soweit es die Aufgabenteilung zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und Generalversammlung betrifft – zumindest auf den ersten Blick der Verfassung der AG angenähert. Der Vorstand als Leitungs- und Vertretungsorgan unterliegt im Rahmen seiner Geschäftsführung der Überwachung seitens des Aufsichtsrats. Demgegenüber ist die Generalversammlung als Mitgliederorgan mit Grundlagenentscheidungen, insbesondere Satzungsänderungen und Strukturveränderungen nach Maßgabe des UmwG (Verschmelzung, Spaltung, Formwechsel), betraut. Doch reichen ihre Befugnisse im Lichte des Grundsatzes genossenschaftlicher Selbstverwaltung – bei genauerer Betrachtung – deutlich über diejenigen der Hauptversammlung einer AG hinaus.
Rz. 4
Trotz ihrer körperschaftlichen Verfassung wird die Organstruktur der Genossenschaft, ebenso wie die Willensbildung in der Generalversammlung, im Gegensatz zu den Kapitalgesellschaften (AG, GmbH) in erheblichem Umfang durch personalistische Elemente bestimmt. Für die Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat gilt folglich der Grundsatz der Selbstorganschaft. Die Organwalter müssen somit – sieht man von der Sonderregelung bezüglich der Mitgliedschaft juristischer Personen und Gesellschaften ab (§ 9 Abs. 2 S. 2) – zugleich persönlich Mitglieder der Genossenschaft sein (§ 9 Abs. 2 S. 1). Ihre – im Lichte eines modernen Unternehmensrechts zweifelhafte – Rechtfertigung findet die Regelung im zentralen ›Fördergrundsatz‹ des Genossenschaftsrechts (vgl. unten RN 16 ff.) und dem hieraus fließenden Prinzip genossenschaftlicher Selbstverwaltung seitens der Mitglieder. Auch im Rahmen der verbandsinternen Willensbildung ist die Mitwirkungsbefugnis der Mitglieder durchweg personengebunden und nicht durch den Umfang ihres Finanzbeitrags bestimmt: Zwar gilt im Rahmen der Beschlüsse der Generalversammlung – anders als bei den Personengesellschaften – zwingend (§ 18 S. 2) das Mehrheitsprinzip, doch kommt den Mitgliedern im Regelfall – unabhängig von der Zahl der Geschäftsanteile und der Höhe der geleistet...