1 Die Neufassung der Vorschrift mit Inkrafttreten der InsO
Rz. 1
§ 105 Abs. 1 a. F. ist mit dem Inkrafttreten der InsO am 01.01.1999 geändert und ergänzt worden. Nach seiner damaligen Fassung wurde die Nachschusspflicht nur dann ausgelöst, ›soweit die Konkursgläubiger wegen ihrer bei der Schlussverteilung … berücksichtigten Forderungen aus dem zur Zeit der Eröffnung des Konkursverfahrens vorhandenen Vermögen der Genossenschaft nicht befriedigt werden.‹
Rz. 2
Der neue § 105 Abs. 1 Satz 1 bestimmt, dass die Nachschusspflicht zusätzlich zum Fall der Schlussverteilung auch dann eintritt, ›soweit die Ansprüche der Massegläubiger … aus dem vorhandenen Vermögen der Genossenschaft nicht berichtigt werden …‹
Rz. 3
Mit der Erweiterung der Nachschusspflicht zugunsten der Massegläubiger soll nach der Begründung des RegEntw zu Art. 49 Nr. 22 EGInsO betreffend § 105 GenG (Balz/Landfermann, Die neuen Insolvenzgesetze, IDW-Verlag 1995) klargestellt werden, ›dass die Nachschusspflicht der Genossen auch in den Fällen der Masselosigkeit und der Masseunzulänglichkeit … besteht.‹ Dabei bezieht sich die Entwurfsbegründung auf die Bestimmungen im Entwurf der InsO, die später als §§ 207, 208 InsO in Kraft getreten sind. Damit ist zum Ausdruck gebracht, dass die Nachschusspflicht schon dann entsteht, wenn die Kosten des Insolvenzverfahrens nur mit Hilfe der Nachschüsse gedeckt werden können. Näheres dazu unter 3.
Rz. 4
Mit der Aufhebung der zeitlichen Begrenzung für die Bestimmung des Vermögens der eG wird nunmehr auf das Vermögen bei der Schlussverteilung (§ 196 Abs. 1 InsO) abgestellt. Damit wird der Möglichkeit der Masseanreicherung durch Neuerwerb (§ 35 Fall 2 InsO) Rechnung getragen.
Rz. 5
Der neue § 105 Abs. 1 Satz 2 sieht eine Nachschusspflicht auch nach Maßgabe des gestaltenden Teils eines rechtskräftig bestätigten Insolvenzplans (§§ 217 ff. InsO) vor. Dieser kann Regelungen über die Nachschusspflicht aber nur im Rahmen der durch die Satzung gezogenen Grenzen enthalten. Eine hiernach ausgeschlossene Nachschusspflicht kann er nicht begründen, eine satzungsgemäße Höchstgrenze nicht verändern (Beuthien § 105 RN 14; a. A. Terbrack, Insolvenz, RN 507 f.).
2 Die Begründung der Nachschusspflicht
Rz. 6
Ob die Mitglieder nachschusspflichtig sind, richtet sich nach der Satzung. Nach § 6 Nr. 3 muss die Satzung Bestimmungen darüber enthalten, ›ob die Mitglieder für den Fall, dass die Gläubiger im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Genossenschaft nicht befriedigt werden, Nachschüsse zur Insolvenzmasse unbeschränkt, beschränkt auf eine bestimmte Summe (Haftsumme) oder überhaupt nicht zu leisten haben‹. Da bei Wohnungsgenossenschaften eine unbeschränkte Nachschusspflicht praktisch nicht vorkommt, wird hier nur von dem auch nicht gerade häufigen Fall einer beschränkten Nachschusspflicht ausgegangen. Ist die Nachschusspflicht beschränkt worden, so darf nach § 119 die Haftsumme in der Satzung nicht niedriger als der Geschäftsanteil festgesetzt werden.
3 Das Entstehen der Nachschusspflicht im Fall des § 105 Abs. 1 Satz 1
Rz. 7
Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 entsteht die Nachschusspflicht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als eine Binnenhaftung der Mitglieder der eG auf Leistung zur Insolvenzmasse (Begriff § 35 InsO), soweit die Ansprüche der Massegläubiger (Begriff § 53 InsO) oder die Forderungen der bei der Schlussverteilung nach § 196 InsO berücksichtigten Insolvenzgläubiger (Begriff § 38 InsO) aus dem vorhandenen Vermögen der eG nicht befriedigt werden.
Rz. 8
Obwohl die Nachschüsse keine Betriebsmittel sind, erhöhen sie doch die Kreditgrundlage der eG (oben §§ 6, 7 RN 7) und können bei wirtschaftlicher Betrachtung als aufschiebend bedingtes Eigenkapital bezeichnet werden. Als Teil der Beitragspflicht der Mitglieder sind sie Bestandteil des Vermögens der eG i. S. d. § 26 Abs. 1 InsO und damit auch Bestandteil der Insolvenzmasse i. S. d. § 207 Abs. 1 InsO. (Beuthien § 105 RN 5,6: Luwowski/Peters in MK-InsO, § 35 RN 231) Daraus folgt, dass sie in beiden Fällen bei der Prüfung der Massedeckung mit zu berücksichtigen sind (Beuthien § 105 RN 6). In jedem Fall aber muss die Prüfung ergeben, dass mit Hilfe der Nachschüsse wenigstens die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt werden können. Es muss also zu einem nach §§ 26 ff. InsO eröffneten und nicht nach § 207 InsO eingestellten Insolvenzverfahren kommen (Beuthien § 105 RN 6; Bauer § 105 RN 17 ff.).
Rz. 9
Erkennt das Insolvenzgericht schon im Eröffnungsverfahren, dass durch eine Einziehung der Nachschüsse voraussichtlich noch nicht einmal die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt sein werden, weist es nach § 26 Abs. 1 Satz 1 InsO den Antrag auf Eröffnung mangels Masse ab, es sei denn, dass ein ausreichender Geldbetrag vonseiten der Gläubiger der eG vorgeschossen wird (§ 26 Abs. 1 Satz 2 mit Erstattungsmöglichkeit nach Abs. 3 InsO). In dieser Situation kann es entgegen Kübler/Prütting/Noak RN 609 auch nicht zu einer entsprechenden Anwendung des § 105 Abs. 1 Satz 1 kommen. Wie Beuthien § 105 RN 6 zutreffend bemerkt, würde ein solches Vorgehen unter Verstoß gegen § 2 zu einer (beschränkten) Außenhaftung der Mitglieder gegenüber den Gläubigern der eG außerhalb ...