Rz. 82
Die Zuständigkeit für die außerordentliche – meist fristlose – Kündigung des Anstellungsvertrags aus ›wichtigem Grund‹ liegt seitens der Genossenschaft grundsätzlich bei der General- oder Vertreterversammlung. Allerdings hat der Gesetzgeber im Rahmen der Genossenschaftsnovelle 2006 die Möglichkeit eröffnet, hinsichtlich der Satzungsgestaltung nicht nur die Bestellungskompetenz, sondern auch die Befugnis zur Abberufung (§ 24 Abs. 2 S. 2) – und damit nach Sinn und Zweck auch diejenige zur außerordentlichen Kündigung – auf den Aufsichtsrat oder ein (fakultatives) Organ der Genossenschaft zu verlagern. Zwar enthält das Gesetz keine ausdrückliche Kompetenzzuweisung hinsichtlich der Kündigungsbefugnis, doch folgt die entsprechende Zuständigkeit notwendig aus § 24 Abs. 3 S. 2. Die Kompetenz zum jederzeitigen Widerruf des Bestellungsaktes liefe weitgehend leer, wenn damit nicht das Recht verbunden wäre, auch den Anstellungsvertrag – zumindest bei Vorliegen eines ›wichtigen Grundes‹ – durch einseitige Gestaltungserklärung (Kündigung) zu beenden (BGH DB 1974, S. 37 ff.; OLG Köln DB 1994, S. 471 f.). Insofern schließt die Abberufungszuständigkeit notwendig die (Annex-) Kompetenz zur Kündigung des Anstellungsvertrags ein (Bauer § 24 RN 246 a).
Rz. 83
Allerdings bedarf die außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrags im Gegensatz zum Widerruf der Bestellung (vgl. oben 7.4) eines rechtfertigenden Grundes. Dieser bestimmt sich ausschließlich nach den Vorgaben des allgemeinen (Dienst-) Vertragsrechts. Maßgeblich ist insofern § 626 BGB. Eine außerordentliche Kündigung kommt gem. § 626 Abs. 1 BGB folglich nur ›aus wichtigem Grund‹ in Betracht, ›wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann‹.
Rz. 84
Das Recht zur außerordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrags ist für beide Seiten unabdingbar. Es kann weder durch die Satzung noch durch den Anstellungsvertrag ausgeschlossen oder auf einzelne Gründe beschränkt werden. Unzulässig und damit unwirksam ist auch eine wirtschaftliche Erschwerung der außerordentlichen Kündigung, indem für den Fall der Ausübung der Befugnis zur außerordentlichen Kündigung seitens der eG im Dienstvertrag Abfindungszahlungen zulasten der Genossenschaft festgesetzt werden (BGH ZIP 2008, S. 1114, 1115 f.; BGH ZIP 2000, S. 1442 ff.).
Rz. 85
Zwar können die Satzung oder der Anstellungsvertrag einzelne Kündigungsgründe benennen (›ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn …‹), doch kommt dem nur die Funktion einer ›Regelvermutung‹ zu. Weder ist die Aufzählung abschließender Natur, noch kann – unabhängig von den Umständen des Einzelfalls – bestimmt werden, dass bei Verwirklichung eines Begriffsmerkmals stets ein ›wichtiger Grund‹ vorliegt (a. A.: Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 24 RN 79). Dies gilt vor allem für eine Bestimmung, nach der der Widerruf der Bestellung stets ein wichtiger Grund für die Kündigung des Anstellungsvertrags seitens der Gesellschaft darstellt. Hierdurch würde das berechtigte Bestandsschutzinteresse des Organwalters in unzumutbarer Weise beschränkt; der durch § 626 BGB bezweckte ›Sozialschutz‹ liefe weitgehend leer. Hier kommt folglich nur die Beendigung des Anstellungsvertrags mit Ablauf der Kündigungsfristen des § 622 BGB in Betracht.
Rz. 86
Ermangelt es eines wichtigen Grundes, so ist die Kündigung – anders als der gleichzeitige Widerruf der Bestellung – unwirksam. Die Genossenschaft verliert zwar bei gleichzeitiger Beendigung der Organstellung den Anspruch auf die Dienstleistung des (ehemaligen) Vorstandsmitglieds, bleibt jedoch ihrerseits weiterhin zur Fortzahlung der Vergütung verpflichtet (§ 615 BGB). Der Organwalter muss sich lediglich das anrechnen lassen, ›was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.‹ (§ 615 S. 2 BGB). Allerdings kommt gegebenenfalls die Umdeutung (§ 140 BGB) einer ›außerordentlichen (fristlosen) Kündigung‹ in eine ›ordentliche‹ Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfristen des § 622 BGB in Betracht, soweit diese nach dem Anstellungsvertrag nicht ausgeschlossen ist.
Rz. 87
Was einzelne Gründe zur Rechtfertigung einer fristlosen Kündigung betrifft, so entscheiden letztlich die Umstände des Einzelfalls. Schwerwiegende oder fortlaufende Verstöße gegen Gesetz, Satzung, Zustimmungsvorbehalte zugunsten des Aufsichtsrats oder den Anstellungsvertrag sowie eine Verletzung der Treuepflicht, insbesondere des Wettbewerbsverbots, rechtfertigen in aller Regel die fristlose Kündigung des Anstellungsverhältnisses durch die Genossenschaft. Dies gilt auch für wiederholte Verstöße gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit innerhalb des Vorstandes oder...