1 Zweck der Regelung
Rz. 1
Die Bestimmungen regeln im gegenseitigen Zusammenhang die organschaftliche Vertretung der Genossenschaft im Außenverhältnis. Demgegenüber bestimmt sich die Geschäftsführungsbefugnis der Organwalter (zur Unterscheidung beider Begriffe siehe: Vor § 24 RN 5 ff.) im Rahmen der (inner-) genossenschaftlichen Leitungsstruktur nach § 27 Abs. 1. Die Regelungen haben im Rahmen der Genossenschaftsnovelle 2006 keine Änderungen erfahren. Allerdings gilt es in diesem Zusammenhang § 24 Abs. 1 S. 2 Rechnung zu tragen, der im Falle der ›Führungslosigkeit‹ der Genossenschaft, d. h. bei Fehlen eines Vorstands, die Passivvertretung durch den Aufsichtsrat bei der Entgegennahme von Willenserklärungen sowie der Zustellung von Schriftstücken bestimmt. Zugleich wurde durch Art. 19 des MoMiG vom 23.10.2008 mit Wirkung zum 01.11.2008 die bisherige Regelung des § 25 Abs. 4 (Zeichnung für die Genossenschaft) aufgehoben. Die Regelung war überflüssig, da sich das Erfordernis der Erkennbarkeit des Vertretungshandelns bereits aus § 164 Abs. 2 BGB ergibt.
2 Die organschaftliche Vertretung
2.1 Zuständigkeit des Vorstandes
Rz. 2
Die organschaftliche Vertretung ist – unverzichtbare – Voraussetzung für die rechtsgeschäftliche und prozessuale Handlungsfähigkeit der Genossenschaft. Als juristische Person (§ 17) bedarf die eG im tatsächlichen wie im rechtlichen Rahmen zur Willensbildung und Willensäußerung (Aktivvertretung) ebenso wie zur Entgegennahme fremder Willenserklärungen (Passivvertretung) notwendig der Mitwirkung ihrer Organe. Zwar kommt über die Organbefugnis hinaus die Stellvertretung durch rechtsgeschäftliche Vertreter, Bevollmächtigte (§§ 164 ff. BGB), Prokuristen (§§ 48 ff. HGB), Handlungsbevollmächtigte (§ 54 f. HGB), Ladenangestellte (§ 56 HGB) oder Generalbevollmächtigte in Betracht, doch ist das Vorhandensein organschaftlicher Vertreter seinerseits unabdingbare Voraussetzung zur Erteilung rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht seitens der eG (vgl. § 48 Abs. 1 HGB). Insofern stellen sich die Handlungen und Entschlüsse der Organwalter notwendig als solche der Genossenschaft dar (vgl. für die Zurechnung tatsächlicher Handlungen ausführlich: vor § 34 RN 1 ff.). Die Vorstandsmitglieder haben insoweit die Stellung eines gesetzlichen Vertreters. Die rechtlichen Wirkungen und Folgerungen der Handlungs- und Wissenszurechnung im rechtsgeschäftlichen und prozessualen Bereich bestimmen sich dabei nach § 26 Abs. 1 GenG, §§ 164 ff. BGB.
Rz. 3
Die organschaftliche Vertretung der Genossenschaft ist zwingend und unentziehbar dem Vorstand zugewiesen. Die Vertretungsbefugnis der Organwalter besteht vom Zeitpunkt ihrer Bestellung an. Auf die Eintragung im Genossenschaftsregister kommt es dabei ebenso wenig an wie auf den Abschluss des Anstellungsvertrags (zur Rechtsstellung ›faktischer‹ Vorstandsmitgliedern siehe § 24 RN 29 ff.). Nur gegenüber Vorstandsmitgliedern – beispielsweise bei Abschluss und Änderung des Anstellungsvertrags sowie bei der Führung von Prozessen – erfolgt die Vertretung der eG zwingend und unabdingbar durch den Aufsichtsrat (§ 39 Abs. 1, siehe dort RN 2 ff.; vgl. auch § 25 Abs. 2 MusterS).
Rz. 4
Dies gilt auch gegenüber ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern (BGH ZIP 2005, S. 900 ff.; BGHZ 130, S. 108 ff., 111 f.; BGH WM 1997, S. 1210) und künftigen Organwaltern (BGHZ 26, S. 236 ff., 238 = NJW 1958, S. 419 f., 420). In Prozessen gegenüber den Mitgliedern des Aufsichtsrats erfolgt die Vertretung durch besondere Bevollmächtigte, die durch die Generalversammlung gewählt werden (§ 39 Abs. 3; § 35 Abs. 1 lit.k MusterS). Im Anfechtungsprozess gegen Beschlüsse der Generalversammlung kommt die gerichtliche Vertretung – soweit der Vorstand die Anfechtungsklage nicht selbst betreibt – Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam zu (§ 51 Abs. 3 S. 2).
Rz. 5
Von der – unverzichtbaren – organschaftlichen Vertretung ist die Bestellung rechtsgeschäftlicher Vertreter zu unterscheiden. Diese erfolgt durch Bevollmächtigung (§ 166 Abs. 2 BGB) seitens der organschaftlichen Vertreter oder im Wege der Untervollmacht. Neben der einfachen Bevollmächtigung kommen auch die typisierten Vertretungsformen des Handelsrechts – Prokura und Handlungsvollmacht – in Betracht (§ 42 vgl. dort).
2.2 Gerichtliche Vertretung
Rz. 6
Die organschaftliche Befugnis umfasst auch die gerichtliche Vertretung der eG (zu den Ausnahmen siehe bereits oben 2.1). Gegen die Genossenschaft gerichtete Klagen sind daher dem Vorstand zuzustellen (§§ 170, 171 ZPO). Dabei genügt die Zustellung an ein Vorstandsmitglied (§ 170 Abs. 3 ZPO). Erfolgt – wie beispielsweise bei Anfechtungsklagen – die Vertretung durch Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam (§ 51 Abs. 3 S. 2), so hat die Zustellung jeweils mindestens an ein Mitglied des Vorstandes und des Aufsichtsrats zu erfolgen (BGHZ 32, S. 114 ff., 119; BGH NJW 1992, S. 2099 f.; BGH WM 1974, S. 713 ff., 714). Die Organwalter sind in den Schriftsätzen (§§ 130 Nr. 1; 253 Abs. 4 ZPO) und im Urteil (§ 313 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) zu bezeichnen, doch genügt regelmäßig auch die Zustellung ›an den Vorstand‹ am Sitz der Genossenschaft (BGHZ 107; S. 296 ff., 299;...