Rz. 75
Die ständige Zunahme der Haftungsrisiken aufseiten der Organmitglieder verlangt nicht zuletzt im Interesse der Familienangehörigen nach einer versicherungstechnischen Abdeckung der Problematik, gilt es doch zu vermeiden, dass berufliche ›Rückschläge‹ auch die Grundlagen der privaten Existenz bedrohen. Allerdings betrifft die Absicherung des Haftungsrisikos über den Schutz der Organwalter hinaus zugleich die wirtschaftliche Bestandssicherung der Genossenschaft selbst; geht es doch im Wesentlichen darum, zu gewährleisten, dass hinsichtlich der durch das Handeln oder Unterlassen der Organwalter verursachten Schäden der Genossenschaft ›im Falle des Falles‹ ein zahlungsfähiger Schuldner zur Verfügung steht. Dies trägt vor allem dem Umstand Rechnung, dass die Genossenschaft im Rahmen der Außenhaftung gegenüber Dritten entsprechend § 31 BGB ohne ›Entlastungsmöglichkeit‹ für ihre Organwalter einzutreten hat (vgl. oben Vor § 34). Zwar steht der Genossenschaft ihrerseits ein Rückgriffsanspruch gegenüber dem schuldhaft handelnden Vorstandsmitglied zu, doch wird dessen Vermögen – insbesondere bei Großschäden – regelmäßig kaum ausreichen, die durch die Ersatzleistung gegenüber Dritten verursachte Vermögenseinbuße des Unternehmens auszugleichen. Die hieraus resultierende ›Bestandsgefährdung‹ der Genossenschaft gilt es im Wege des Versicherungsschutzes ›abzudecken‹. Dies entspricht nunmehr auch der veränderten Sichtweise der Finanzverwaltung (vgl. Schreiben des BMF vom 24.01.2002, DB 2002, S. 339). Entsprechend stellt die Versicherungsprämie aufseiten der Genossenschaft eine den Gewinn mindernde Betriebsausgabe dar.
Rz. 76
Der Abschluss einer D&O-Versicherung unterfällt dabei uneingeschränkt der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des Vorstandes (§§ 27 Abs. 1, 26), da der Versicherungsnehmer die Genossenschaft ist (siehe alsbald unten RN 78). Auch soweit diese zugunsten der versicherten Organmitglieder die Prämienleistungen erbringt, handelt es sich nicht um eine vergütungsähnliche Zusage, welche geeignet ist, die Zuständigkeit des Aufsichtsrats zu begründen; da die Versicherungsleistung regelmäßig auch der Genossenschaft zugute kommt und somit die Begründung des Versicherungsschutzes (auch) in deren Interesse liegt (vgl. oben).
Rz. 77
Soweit § 93 Abs. 2 S. 3 AktG in der Fassung des VorstAG vom 31.07.2009 (BGBl. I, S. 2509) für den Abschluss einer Versicherung zugunsten eines Vorstandsmitglieds einer AG gegen Risiken aus dessen beruflicher Tätigkeit nunmehr einen Selbstbehalt ›von mindestens 10 Prozent des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds‹ vorsieht, findet diese Bestimmung auf die Genossenschaft keine unmittelbare oder entsprechende Anwendung. Eine solche Regelung wäre angesichts der nicht selten ›ehrenamtlichen‹ oder ›nebenamtlichen‹ Tätigkeit der Vorstandsmitglieder kleinerer Genossenschaften auch kaum vertretbar. Hier handelt es sich im Lichte der ratio legislatoris vielmehr um eine aktienspezifische Regelung in der Folge der Finanzmarktkrise, welche den besonderen Gegebenheiten – zumindest nicht kapitalmarktorientierter – Genossenschaften und deren Organstruktur nicht hinreichend Rechnung trägt.
Rz. 78
Waren in der Vergangenheit im Wesentlichen Rechtsschutzpolicen zur Absicherung des Prozesskostenrisikos im Markt erhältlich, so werden seit einigen Jahren unterschiedliche Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungen, überwiegend nach dem Konzept US-amerikanischer Directors-and-Officers (D&O) Versicherungen angeboten. Versicherungsnehmer ist hierbei grundsätzlich die Genossenschaft, versicherte Personen sind demgegenüber die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sowie bestimmte leitende Angestellte. Meist decken die Policen zwei komplementäre Risikobereiche ab: Zum einen betrifft dies die unmittelbare persönliche Haftpflicht der Vorstandsmitglieder und Aufsichtsräte gegenüber der Gesellschaft und geschädigten Dritten aufgrund fehlerhaften Organhandelns bei Ausübung der versicherten Tätigkeit. Zum anderen erfasst der Deckungsschutz das aus § 31 BGB resultierende Risiko, dass die Genossenschaft hinsichtlich derjenigen Ersatzleistungen, die sie gegenüber Dritten erbringt, den Geschäftsführer in Regress nimmt (vgl. oben).
Rz. 79
Eingeschlossen sind – wie üblicherweise in der Vermögensschadenshaftpflichtversicherung – die Kosten der Rechtsverteidigung. Folglich erfasst der Versicherungsschutz in seiner Gesamtheit sowohl die Leistung der Schadensersatzsumme im Falle der Begründetheit des Anspruchs (Schadensausgleichsfunktion) als auch die gerichtliche und außergerichtliche Abwehr von Ersatzansprüchen (Abwehrfunktion). Insofern ergänzt die D&O-Versicherung in sinnvoller Weise die Rechtsschutzversicherung der Organwalter. In seiner wirtschaftlichen Funktion bezweckt der Versicherungsschutz vor allem die versicherungstechnische Absicherung der im Rahmen des Organverschuldens begründeten Vermögenseinbußen der Genossenschaft (vgl. hierz...