1 Zweck der Regelung
Rz. 1
Die Bestimmung hat im Wesentlichen klarstellende Funktion. Demzufolge ist der Umstand, dass einem Vorstandsmitglied nach der internen Kompetenzverteilung nur die Funktion eines ›Stellvertreters‹ zukommt, ohne Einfluss auf dessen organschaftliche Rechte und Pflichten. Dies gilt – nicht nur, aber insbesondere – für die haftungsrechtliche Verantwortung gem. § 34. Insofern ist die Bezeichnung in gewisser Weise irreführend.
2 Die rechtliche Stellung des Stellvertreters
Rz. 2
Hinsichtlich seiner Organstellung unterliegt das stellvertretende Vorstandsmitglied den gleichen Rechten und Pflichten wie die ›ordentlichen‹ Organwalter. Die Grundsätze der Leitungsautonomie und ›Eigenverantwortlichkeit‹ (§ 27 Abs. 1 S. 1) bleiben folglich unberührt. Stellvertretende Vorstandsmitglieder sind somit weder an Weisungen anderer Vorstandsmitglieder noch an Vorgaben sonstiger Gesellschaftsorgane gebunden (§ 27 Abs. 1 S. 1). Diese Kompetenzverteilung ist angesichts des Grundsatzes der ›formellen Satzungsstrenge‹ (§ 18 S. 2) zwingend und kann auch durch die Satzung nicht abbedungen oder eingeschränkt werden (Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 35 RN 2; Pöhlmann/Fandrich/Bloehs § 35 RN 1). Lediglich im Rahmen der internen Geschäftsverteilung kann der Tätigkeitsbereich des Stellvertreters beschränkt werden, sofern dem nicht zwingende gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen. Demzufolge ist es möglich, stellvertretenden Vorstandsmitgliedern Angelegenheiten von geringerer Bedeutung zuzuweisen oder ihre eigenständige Ressortverantwortung auf den Fall der Verhinderung eines ›ordentlichen‹ Vorstandsmitglieds zu beschränken.
Rz. 3
Demgegenüber ist es unzulässig, ein ›stellvertretendes Vorstandsmitglied‹ als ›Ersatzmitglied‹ mit der Maßgabe – aufschiebend bedingt (§ 158 Abs. 1 BGB) – zu bestellen, dass diesem eine Organstellung nur zukommt, wenn ein ›ordentliches‹ Vorstandsmitglied entfällt oder verhindert ist (Bauer § 35 RN 13; Müller § 35, RN 4; zweifelnd: Beuthien § 35 RN 1a.E.; einschränkend auch: Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 35 RN 3).
Rz. 4
Allerdings lässt die Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis grundsätzlich solche Verantwortungsbereiche unberührt, die der Gesetzgeber dem Vorstand in seiner Gesamtheit zugewiesen hat. So wirken auch die Stellvertreter in vollem Umfange und zwingend an der Beschlussfassung des Gesamtvorstands sowie bei den Anmeldungen zum Genossenschaftsregister mit (vgl. §§ 157, 11). Wie die übrigen Vorstandsmitglieder sind sie berechtigt und verpflichtet, die Erledigung der Vorstandsaufgaben – einschließlich der steuerlichen Pflichten der Genossenschaft – seitens der übrigen Organwalter zu überwachen. Insofern kommt ihnen ein uneingeschränktes Einsichtsrecht in alle Bücher und Schriften der Genossenschaft sowie ein umfassendes Auskunftsrecht gegenüber allen übrigen Vorstandsmitgliedern zu. Auch sie trifft die zwingende und unabdingbare Insolvenzantragspflicht (§ 15 a Abs. 1 InsO) unter Einschluss der strafrechtlichen Verantwortung wegen ›Insolvenzverschleppung‹ (§ 15 a Abs. 4 und 5 InsO). Ebenso wenig wie ›ordentliche‹ Vorstandsmitglieder können die ›Stellvertreter‹ von der Vertretung der Genossenschaft ausgeschlossen werden. Allerdings kann ihr Vertretungshandeln nach außen auf die Gesamtvertretung mit ordentlichen Vorstandsmitgliedern bzw. die ›unechte‹ Gesamtvertretung gemeinsam mit einem Prokuristen beschränkt werden.
Rz. 5
Im Übrigen folgt die Bestellung und Abberufung der Stellvertreter den für die übrigen Vorstandsmitglieder geltenden Regelungen. Gleiches gilt hinsichtlich der Ausgestaltung des Anstellungsvertrags.
3 Eintragung im Genossenschaftsregister
Rz. 6
Da dem Stellvertreterzusatz keine Außenwirkung zukommt, ist dieser nach zutreffender Auffassung im Genossenschaftsregister weder eintragungspflichtig noch eintragungsfähig (BGH NJW 1998, S. 1071 ff. = ZIP 1998, 152, 1072; Bauer § 35 RN 3; Pöhlmann/Fandrich/Bloehs § 35 RN 1; einschränkend: Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 35 RN 8). Angemeldet und eingetragen wird somit lediglich die Bestellung zum Vorstandsmitglied ohne einschränkenden Zusatz. Gleiches gilt im Rahmen von § 25 a hinsichtlich der Angaben auf Geschäftsbriefen (§ 25 a RN 3). Auch hier scheidet die Hinzufügung eines Stellvertreterzusatzes zwingend aus (so im Ergebnis für die AG Hüffer § 80 RN 3).
Literaturtipps
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Frels, Stellvertretende Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft und des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit, VersR 1963, S. 898 ff. |
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Metz, Die stellvertretenden Vorstandsmitglieder und deren rechtliche Stellung in der Genossenschaft, BlfG 1963, S. 205 ff. |
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Schlaus, Das stellvertretende Vorstandsmitglied, DB 1971, S. 1653 ff. |