Rz. 54a
Gemäß Abs. 4 kann die Satzung der Genossenschaft abweichend von Abs. 1 Satz 1 vorsehen, dass für bestimmte Genossenschaftsmitglieder das Recht besteht, Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden. Zwar zielt die an § 101 Abs. 2 AktG angelehnte Bestimmung ausweislich der Regierungsbegründung (BT-Drucks. 18/11506 S. 28 zu Nr. 10) in erster Linie darauf, die Beteiligung an (Wohnungs-)Genossenschaften für kommunale Gebietskörperschaften attraktiver zu gestalten, doch ist diese Zielprojektion nicht abschließender Natur. Entsendungsberechtigter kann somit jede juristische oder natürliche Person sein, die Mitglied der Genossenschaft ist, unter Einschluss investierender Mitglieder (Bauer § 36 RN 79d). Die Begründung eines Entsendungsrechts bedarf somit zunächst einer satzungsrechtlichen Grundlage, welche die Person des Entsendungsberechtigten namentlich bezeichnet. Die erforderliche Satzungsänderung liegt in der Zuständigkeit der Generalversammlung (Vertreterversammlung), die hierüber mit einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel der abgegebenen Stimmen umfasst, entscheidet (§ 16 Abs. 4 GenG). Dabei ist auch der Destinatär des Entsendungsrechts selbst stimmberechtigt, § 43 Abs. 6 GenG findet insofern keine Anwendung (OLG Hamm, ZIP 2008, 1530; BGH, ZIP 2009, 1566; Bauer § 36 RN 79b). Auch ein Verstoß gegen den genossenschaftlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ist mit der Begründung eines Entsendungsrechts nicht verbunden, da dieses seine erforderliche Legitimation unmittelbar in Abs. 5 Satz 1 findet (OLG Hamm, ZIP 2008, 1530; MüKoAktG/Habersack § 101 RN 31; Bauer § 36 RN 79b). Da das Entsendungsrecht seinem Inhalt nach ein Sonderrecht des bedachten Genossenschaftsmitglieds im Sinne von § 35 BGB ist, kann es nur mit Zustimmung des Entsendungsberechtigten wieder aufgehoben oder eingeschränkt werden (Müko/Habersack a. a. O. RN 31; Bauer, a. a. O. RN 79b). Als höchstpersönliches Recht ist es nicht Gegenstand des Rechtsverkehrs, eine Übertragung auf Dritte scheidet folglich aus (MüKo/Habersack a. a. O. RN 34; Bauer a. a. O. RN 79f). Das Entsendungsrecht endet mit dem Ausscheiden des Entsendungsberechtigten aus der Genossenschaft, gleich aus welchem Grunde, und lebt auch mit dem erneuten Erwerb der Mitgliedschaft in der Genossenschaft nicht wieder auf (Bauer a. a. O.: RN 79e).
Rz. 54b
Die Ausübung des Entsendungsrechts erfolgt durch rechtsgeschäftliche Erklärung des Entsendungsberechtigten gegenüber dem Vorstand der Genossenschaft. Handelt es sich bei dem Entsendungsberechtigten um eine juristische Person oder eine Personengesellschaft, so obliegt die Erklärung dem Vorstand bzw. Geschäftsführer oder dem vertretungsberechtigten Gesellschafter. Der Entsendungsberechtigte ist jederzeit befugt, das entsandte Aufsichtsratsmitglied abzuberufen und ein anderes Organmitglied zu benennen. Das entsandte Mitglied muss eine natürliche unbeschränkt geschäftsfähige Person sein, welche die gesetzlichen und satzungsrechtlichen Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder der Genossenschaft erfüllt. Der Entsandte muss jedoch nicht selbst Mitglied der Genossenschaft sein, wie sich aus dem Wortlaut der Regierungsbegründung ergibt (BT-Drucks. 18/11506, S. 28 zu Nr. 10 Abs. 2; a. A: Bauer § 36 RN 79i) .
Rz. 54c
Entsprechend § 36 Abs. 5 Satz 2 darf folglich die Zahl der nach Abs. 5 Satz 1 in den Aufsichtsrat entsandten Personen zusammen mit der Zahl der investierenden Mitglieder im Aufsichtsrat ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder nicht überschreiten, um so dem Grundsatz der Selbstorganschaft Rechnung zu tragen (BT-Drucks. 18/11506, S. 28 Abs. 2). Wird durch die Entsendung die zulässige Höchstzahl entsandter und investierender Mitglieder im Aufsichtsrat gem. Abs. 5 Satz 2 überschritten, so ist die Entsendung unwirksam (Bauer § 36 RN 79o).
Rz. 54d
Soweit es das entsandte Aufsichtsratsmitglied betrifft, stehen diesem die gleichen Rechte zu wie den übrigen Mitgliedern des Überwachungsorgans. Dem entspricht auch die Pflichtenbindung an das Unternehmensinteresse und die mitgliedschaftliche Treuepflicht (MüKo/Habersack § 101 RN 45, 48; Bauer § 36 RN 79j). Aufgrund seiner Organstellung unterliegt das Mitglied grundsätzlich der organschaftlichen Verschwiegenheitspflicht (§§ 41, 34 Abs. 1 S. 3 GenG) gegenüber dem Entsendungsberechtigten (MüKo/Habersack a. a. O. RN 47; Bauer § 36 RN 79 l). Eine Ausnahme gilt gem. § 394 AktG nur, sofern es sich bei dem Entsendungsberechtigten um eine Gebietskörperschaft handelt. In diesem Fall ist das entsandte Aufsichtsratsmitglied hinsichtlich der Berichte, die es der Gebietskörperschaft zu erstatten hat, von seiner Verschwiegenheitspflicht befreit. Für vertrauliche Angaben und Geheimnisse, namentlich Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, gilt dies allerdings nicht, wenn ihre Kenntnis für die Zwecke der Gebietskörperschaft nicht von Bedeutung ist (§ 394 S. 2 AktG). Darüber hinaus haben gem. § 395 AktG Personen, die damit betraut sind, die Beteiligungen einer Gebietskörperschaft zu verwalten, über vertrauliche Angaben un...