1 Zweck der Vorschrift
Rz. 1
Die Bestimmungen der §§ 36 und 37 regeln gemeinsam mit dem in § 9 Abs. 2 niedergelegten Grundsatz der Selbstorganschaft die Bestellung und Abberufung sowie die Mindestzahl und die gesetzlichen (Mindest-)Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder. Sie finden für die Wohnungsgenossenschaften ihre ergänzende Ausgestaltung in § 24 der MusterS. Demgegenüber betreffen die §§ 38 bis 40 die Zuständigkeit des Aufsichtsrats im Rahmen der genossenschaftlichen Kompetenzordnung. Im Rahmen des Abschlussprüfungsreformgesetzes vom 10.05.2016 (BGBl. I S. 1142) wurde Abs. 4 neu gefasst. Mit der Genossenschaftsnovelle 2017 (BGBl. I 2434) wurde Abs. 5 neu angefügt und damit die Möglichkeit geschaffen, in der Satzung für bestimmte Mitglieder das Recht vorzusehen, Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden.
2 Aufsichtsrat als zwingendes Organ
Rz. 2
Der Aufsichtsrat ist ein grundsätzlich zwingend vorgeschriebenes Organ der Genossenschaft (§ 9 Abs. 1). Die Satzung kann weder auf seine Bildung verzichten, noch die ihm zugewiesenen Aufgaben anderen Organen übertragen (§ 18 S. 2). Lediglich bei ›Kleinstgenossenschaften‹ mit nicht mehr als 20 Mitgliedern kann gem. § 9 Abs. 1 S. 2 durch ausdrückliche Satzungsregelung auf die Bildung eines Aufsichtsrats verzichtet werden. In diesem Falle nimmt die Generalversammlung die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats war, soweit das GenG nichts Abweichendes bestimmt (§ 9 Abs. 1 S. 3 – siehe ausführlich § 9 RN 7 ff.).
Rz. 3
Allerdings ist es statthaft, dem Aufsichtsrat durch die Satzung weitere Kompetenzen zu übertragen (§ 38 Abs. 3), soweit diese nicht durch das GenG zwingend anderen Organen – insbesondere Vorstand oder Generalversammlung – zugewiesen sind. Angesichts des Grundsatzes der ›formalen Satzungsstrenge‹ (§ 18 S. 2) sind die Gestaltungsmöglichkeiten – auch soweit es die Zuständigkeit der Genossenschaftsorgane betrifft – notwendig beschränkt. Insoweit gilt es den normativen Wertentscheidungen des Gesetzgebers Rechnung zu tragen und diese im Rahmen satzungsrechtlicher Zuweisungen zu berücksichtigen. Anders als der Vorstand (vgl. § 27 Abs. 1 S. 1) ist der Aufsichtsrat Kontroll- und nicht Leitungsorgan (Bauer § 36 RN 1; Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 36 RN 5; Müller § 36 RN 1; Pöhlmann/Fandrich/Bloehs § 36 RN 1). Maßnahmen der Geschäftsführung können ihm entsprechend § 111 Abs. 4 S. 1 AktG nur soweit übertragen werden, wie das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht (Bauer § 38 RN 97). Folgerichtig ist es nicht statthaft, dem Vorstand durch Gesetz zugewiesene Geschäftsführungsmaßnahmen ganz oder teilweise zu entziehen und die Entscheidung hierüber in die Hände des Aufsichtsrats zu legen.
Rz. 4
Insoweit scheidet es insbesondere aus, den Vorstand durch die Satzung oder im Rahmen einer ›Geschäftsordnung‹ bzw. im Anstellungsvertrag an die Vorgaben des Aufsichtsrats, eines Aufsichtsratsausschusses oder einzelner Aufsichtsratsmitglieder, sei es auch des Aufsichtsratsvorsitzenden, zu binden. Die Satzung kann lediglich bestimmen, dass bestimmte Maßnahmen des Vorstands der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen (vgl. § 27 Abs. 1 RN 18 ff.; § 38 RN 30 ff.). Ein Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand kommt dem Aufsichtsrat folglich nicht zu. Trägt er dessen Unternehmenspolitik nicht (mehr) mit, so mag er auf die Ablösung des Vorstands hinwirken (vgl. § 40), doch kann er die Vornahme bestimmter Geschäftshandlungen seitens des Leitungsorgans nicht erzwingen.
3 Die Zusammensetzung des Aufsichtsrats
3.1 Persönliche Voraussetzungen
3.1.1 Gesetzliche Voraussetzungen
Rz. 5
Als Mitglieder des Aufsichtsrats kommen gem. § 9 Abs. 2 S. 1 nur unbeschränkt geschäftsfähige natürliche Personen in Betracht (vgl. auch § 100 Abs. 1 AktG). Ein Betreuter, der bei der Besorgung seiner Vermögensangelegenheiten ganz oder teilweise einem Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) unterliegt, kann folglich entsprechend § 100 Abs. 1 S. 2 AktG nicht Mitglied des Aufsichtsrats sein. Dies schließt die Wahl eines (noch) Minderjährigen zum Aufsichtsratsmitglied allerdings nicht aus, wenn und soweit dieser spätestens bei Übernahme des Mandats das 18. Lebensjahr vollendet hat (Bauer § 36 RN 18).
Rz. 6
Die Mitglieder des Aufsichtsrats müssen zudem spätestens im Zeitpunkt ihres Amtsantritts zugleich persönlich Mitglieder der Genossenschaft sein (§ 9 Abs. 2 S. 1; § 24 Abs. 1 S. 3 MusterS). Gehören der Genossenschaft andere Genossenschaften als Mitglieder an, so können auch deren Mitglieder, soweit sie natürliche Personen sind, in den Aufsichtsrat gewählt werden. Gehören der Genossenschaft andere juristische Personen des privaten (AG, GmbH. e. V. etc.) bzw. öffentlichen Rechts (Gebietskörperschaften) oder Personengesellschaften an (OHG, KG, GbR), so können deren zur Vertretung befugte (natürliche) Personen (Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer, geschäftsführende Gesellschafter, aber auch Prokuristen und Handlungsbevollmächtigte sowie andere rechtsgeschäftliche Vertreter) in den Aufsichtsrat berufen werden (§ 9 Abs. 2 S. 2 – siehe § 9 RN 26 ff.). Eine weitergehende Ausnahme vom Grundsatz der Selbstorganschaft gilt aus mitbestimmungsrechtlichen Gründen nur für Vertreter der Ar...