1 Zweck der Regelung
Rz. 1
Die Vorschrift bestimmt als Komplementärnorm zu § 34 den seitens der Mitglieder des Überwachungsorgans geschuldeten Sorgfaltsmaßstab und regelt zugleich die Einstandspflicht der Organwalter bei schuldhafter Verletzung ihrer Kontrollpflicht. Besteht bei Kleinstgenossenschaften mit nicht mehr als 20 Mitgliedern gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 GenG kein Aufsichtsrat, so gelten der Sorgfaltsmaßstab und die Einstandspflicht gem. § 41 für den von der Generalversammlung gem. § 39 Abs. 1 Satz 2 zu wählenden Bevollmächtigten entsprechend. Die Vorgaben des § 34 bezüglich des Vorstands finden insoweit entsprechende Anwendung. Allerdings geht es nicht an, die einzelnen Bestimmungsgrößen der Sorgfaltspflicht, wie sie hinsichtlich des Leitungsorgans Geltung beanspruchen, undifferenziert auf die Mitglieder des Aufsichtsrats im Rahmen der diesen zugewiesenen Überwachungsfunktion zu übertragen. Vielmehr ist den funktionalen und strukturellen Besonderheiten des Aufsichtsrats angemessen Rechnung zu tragen. Dabei gilt es insbesondere zu berücksichtigen, dass die Wahrnehmung der Aufsichtsratsfunktion üblicherweise im Nebenamt erfolgt und regelmäßig nur in den Sitzungen des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse sowie im Rahmen von Prüfungshandlungen ausgeübt wird. Insofern scheidet eine ›flächendeckende‹ Kontrolle des Vorstandshandelns notwendig aus (Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 41 RN 1; Pöhlmann/Fandrich/Bloehs § 41 RN 1).
Rz. 2
Ein ›Freibrief‹ hinsichtlich nachlässiger Amtsführung ist hiermit allerdings nicht verbunden. Vielmehr ist nach der Intention des Gesetzgebers bei der Ausübung des Mandats ein strenger Maßstab zugrunde zu legen. Maßgebend ist folglich die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Aufsichtsratsmitglieds einer Genossenschaft (Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 41 RN 7). Im Übrigen genügt hinsichtlich der organschaftlichen Pflichtenbindung die tatsächliche Übernahme des Aufsichtsratsmandats. Auf die Wirksamkeit des Bestellungsaktes kommt es insofern nicht an.
2 Konkretisierung des Sorgfaltsmaßstabs
2.1 Objektive Verhaltensanforderungen
Rz. 3
Der seitens der Organwalter geschuldete Sorgfaltsmaßstab ist durchgängig objektiver Natur (Beuthien § 41 RN 13). Entscheidend sind somit nicht die subjektiven Kenntnisse und Fähigkeiten des jeweiligen Aufsichtsratsmitglieds, maßgeblich sind vielmehr die aus dem satzungsmäßigen und tatsächlichen Geschäftsfeld der Genossenschaft fließenden objektiven Anforderungen an die Mitglieder des Überwachungsorgans. Dabei sind in der Regel an Aufsichtsratsmitglieder größerer Genossenschaften strengere Anforderungen zu stellen als an die Mandatsträger kleinerer Unternehmen (Beuthien § 41 RN 13). Im Übrigen gilt es zu bedenken, dass es sich bezüglich des Aufsichtsrats um ein Kollegialorgan handelt, innerhalb dessen sich das unterschiedliche Erfahrungswissen sowie die Kenntnisse der einzelnen Organwalter im Rahmen der kollektiven Aufgabenzuweisung ergänzen. Folglich ist es nicht erforderlich, dass jedes Mitglied über umfangreiches Wissen und Kenntnisse in sämtlichen Bereichen der dem Aufsichtsrat übertragenen Überwachungsaufgaben verfügt. Entscheidend ist es vielmehr, dass der Aufsichtsrat insgesamt aufgrund seiner personellen Zusammensetzung in der Lage ist, seiner Kontrollfunktion und der übrigen ihm zugewiesenen Befugnisse nachzukommen.
Rz. 4
Allerdings sind gewisse Mindestkenntnisse bezüglich jedes einzelnen Aufsichtsratsmitglieds letztlich unverzichtbar (vgl. BGHZ 85, S. 293 ff., 295 = BGH NJW 1983, S. 991 ff.). Das betrifft – neben Grundkenntnissen des Genossenschaftsrechts sowie der für die eigene Arbeit maßgeblichen Bestimmungen der Satzung und der Geschäftsordnung – insbesondere den Bereich der Rechnungslegung und damit die Beurteilung der Wirtschafts-, Ertrags- und Liquiditätslage der Genossenschaft (Beuthien § 41 RN 12). Dies folgt im Kern bereits aus der in § 38 Abs. 1 S. 5 GenG begründeten Zuständigkeit des Aufsichtsrats zur Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts sowie zur Beratung des durch den Prüfungsverband erstellten Prüfungsberichts (vgl. § 58 Abs. 3 S. 2 und 4 GenG). Das setzt notwendig gewisse Grundkenntnisse der Bilanzierung und ein Mindestmaß an betriebswirtschaftlichem Verständnis voraus (Beuthien a.a.O).
Rz. 5
Soweit ein Organwalter zur grundsätzlichen Beurteilung der Rechnungslegung und der Geschäftsvorgänge außerstande ist, hat er sich die hierfür erforderlichen Kenntnisse in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Übernahme seines Mandats anzueignen (Pöhlmann/Fandrich/Bloehs § 41 RN 2; Beuthien a. a. O.; Müller § 41 RN 23). Die Genossenschaft, insbesondere der Vorstand und der Aufsichtsratsvorsitzende, sind ihrerseits verpflichtet, neuberufenen Aufsichtsratsmitgliedern entsprechende Einarbeitungsmöglichkeiten zu eröffnen und für eine regelmäßige Weiterbildung aller Organwalter Sorge zu tragen (Pöhlmann/Fandrich/Bloehs § 41 RN 7). Versäumen Aufsichtsratsmitglieder diese Verpflichtung oder sind sie aus anderen Gründen – beispielsweise infolge zeitlicher Überlastung – zur sorgfältigen Erfüllung ihrer Überwachungsfunktio...