1 Zweck der Regelung
Rz. 1
Die Bestimmung betrifft die Erteilung rechtsgeschäftlicher Vertretungsmacht seitens der Genossenschaft im Umfang der typisierten Vertretungstatbestände des Handelsrechts. Sie hat in ihrer heutigen Fassung lediglich deklaratorischen (klarstellenden) Charakter. Die Möglichkeit zur Erteilung von Prokura und Handlungsvollmacht folgt für die Genossenschaft bereits aus ihrer Eigenschaft als Formkaufmann (§ 17 Abs. 2 GenG, § 6 Abs. 2 HGB). Einer satzungsrechtlichen Ermächtigung bedarf es insofern nicht. Etwas anderes gilt nur dort, wo der Prokurist gemeinsam mit einem Vorstandsmitglied zur organschaftlichen Vertretung der Genossenschaft befugt sein soll (sog. unechte Gesamtvertretung – vgl. §§ 25, 26, 27 Abs. 2 RN 26). Angesichts der hierin liegenden Erweiterung der Vertretungsmacht des Prokuristen über den Umfang des § 49 HGB hinaus auf die Reichweite der Vertretungsbefugnis eines Vorstandsmitglieds (BGHZ 62, S. 66 = NJW 1977, S. 1194 zur GmbH; vgl. Bauer § 25 RN 30, § 42 RN 5) bedarf es notwendig einer Grundlage in der Satzung (Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 42 RN 3). Im Übrigen sind die erfassten Vertretungstatbestände ausschließlich rechtsgeschäftlicher Natur. Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten kommt folglich keine Organstellung zu; sie müssen somit nicht Mitglieder der Genossenschaft sein (Bauer § 42 RN 1). Ihre Einstandspflicht gegenüber der eG bestimmt sich nicht nach § 34 GenG, sondern unterliegt den allgemeinen Grundsätzen der Arbeitnehmerhaftung (vgl. BAG GS NZA 1993, S. 547 ff.).
2 Die Prokura
2.1 Die Erteilung der Prokura
Rz. 2
Zur Erteilung der Prokura ist ausschließlich der Vorstand in vertretungsberechtiger Zahl als organschaftlicher (gesetzlicher) Vertreter der eG ermächtigt (§ 48 Abs. 1 HGB, § 26 Abs. 1 GenG; Bauer § 42 RN 12; Pöhlmann/Fandrich/Bloehs § 42 RN 2). Allerdings ist es zulässig, in der Satzung die Erteilung im Innenverhältnis an die Zustimmung des Aufsichtsrats (vgl. § 28 lit. k MusterS) oder der Generalversammlung zu binden (Bauer § 42 RN 14; Pöhlmann/Fandrich/Bloehs § 42 RN 1; Müller § 42 RN 1, 2). Wird hiergegen verstoßen, so ist die Erteilung der Prokura dennoch wirksam. Demgegenüber ist es dem Prokuristen als rechtsgeschäftlichem Vertreter nicht möglich, seinerseits ›Unterprokura‹ zu erteilen, wohl aber Handlungsvollmacht. Erforderlich für die Erteilung der Prokura ist stets eine ausdrückliche Erklärung, aus der sich die Art der Bevollmächtigung zweifelsfrei ergibt. Schriftform ist in diesen Fällen weitgehend üblich, jedoch nicht zwingend geboten. Die Erteilung der Prokura ist von den Vorstandsmitgliedern in vertretungsberechtigter Zahl (§ 157 GenG, § 6 Abs. 2 Nr. 5 GenRegV) zur Eintragung in das Genossenschaftsregister anzumelden (§ 42 Abs. 1 S. 2 GenG, § 53 Abs. 1 HGB) und durch das Gericht bekanntzumachen (§§ 42 Abs. 1 S. 3, 28 S. 3 GenG). Allerdings ist die Eintragung keine Wirksamkeitsvoraussetzung. Ihr kommt lediglich deklaratorische Bedeutung zu.
Rz. 3
Im Übrigen ist die Prokura jederzeit widerruflich (§ 52 Abs. 1 HGB). Zwar ist es auch insoweit möglich, den Widerruf im Innenverhältnis an die Zustimmung eines anderen Genossenschaftsorgans zu binden, doch kommt dem keine Außenwirkung zu. Der Widerruf ist ebenso wie die Erteilung zur Eintragung in das Genossenschaftsregister anzumelden (§ 42 Abs. 1 S. 2 GenG, § 53 Abs. 3 HGB), doch ist die Eintragung wiederum nur klarstellender Natur. Die Prokura erlischt folglich mit Zugang der Widerrufserklärung. Der Schutz Dritter, die auf die Eintragung im Genossenschaftsregister vertrauen, richtet sich ausschließlich nach § 29 GenG. Sieht man hiervon ab, so erlischt die Prokura mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Prokuristen, sei es durch Kündigung, Aufhebungsvertrag oder Anfechtung (§ 168 S. 1 BGB), sowie durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Genossenschaft (§ 117 Abs. 1 InsO).
2.2 Umfang der Prokura
Rz. 4
Der Umfang der Prokura bestimmt sich gem. § 49 HGB. Sie berechtigt zu allen gerichtlichen und außergerichtlichen Rechtsgeschäften, welche der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt. Dies gilt auch dort, wo die getroffenen Maßnahmen über den gewöhnlichen Umfang des genossenschaftlichen Geschäftsbetriebs hinausweisen. Zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist demgegenüber nur ermächtigt, soweit ihm diese Befugnis gesondert erteilt ist (§ 49 Abs. 2 HGB). Dies ist ebenso wie die Prokura zur Eintragung im Genossenschaftsregister anzumelden. Weitergehenden Beschränkungen im Innenverhältnis – beispielsweise im Arbeitsvertrag des mit der Prokura betrauten Angestellten – sind zwar zulässig, doch kommt ihnen im Außenverhältnis gegenüber Dritten keine Wirkung zu. Die seitens des Prokuristen unter Verstoß gegen seine vertragliche Bindung getätigten Rechtsgeschäfte sind folglich wirksam, führen jedoch gegebenenfalls zu Schadensersatzansprüchen der Genossenschaft (§ 280 Abs. 1 BGB). Etwas anderes gilt nur dort, wo sich aus Sicht des Dritten der Verdacht des Missbrauchs der Vertretungsbefugnis geradezu aufdrängt (BGHZ 127, S. 239...