Rz. 64
Mit dem Teilnahmerecht der Mitglieder oder ihrer Vertreter ist das Rede- und Antragsrecht in der Generalversammlung notwendig verbunden. Dies gilt auch dort, wo einzelne Mitglieder aufgrund einer Interessenkollision vom Stimmrecht ausgeschlossen sind (Bauer § 43 RN 62; Müller § 43 RN 5). Ein Entzug des Rederechts kommt lediglich ausnahmsweise als Ordnungsmaßnahme unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in Betracht (vgl. oben 3.2.4). Allerdings beschränkt sich die Befugnis der Mitglieder grundsätzlich auf Stellungnahmen zu den jeweils zur Entscheidung anstehenden Tagesordnungspunkten sowie auf Anträge zur Geschäftsordnung (Bauer § 43 RN 62; Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 43 RN 30; Müller § 43 RN 12). Die Unterbindung ›sachwidriger‹ bzw. ›ausschweifender‹ Redebeiträge obliegt insofern dem pflichtgemäßen Ermessen des Versammlungsleiters. Dieser bedarf hierzu nicht einer – vorherigen – Beschlussfassung seitens der Generalversammlung. Er ist andererseits auch nicht gehindert, einen – nunmehr für ihn bindenden – Beschluss der Generalversammlung herbeizuführen (Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 43 RN 30).
Rz. 65
Liegt eine Vielzahl von Wortmeldungen vor oder ist damit zu rechnen, so kann der Versammlungsleiter allgemein die Redezeit der Teilnehmer beschränken (BGHZ 44; S. 245 ff., 248; OLG Stuttgart AG 1995; S. 234; Bauer § 43 RN 64; Beuthien § 43 RN 14; Müller § 43 RN 13; Pöhlmann/Fandrich/Bloehs § 43 RN 14; a. A.: Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 43 RN 30 nur durch Beschluss der Generalversammlung). Eine solche Beschränkung kommt auch im Einzelfall in Betracht, sofern ein Teilnehmer durch ausufernde Redebeiträge die ordnungsmäßige Durchführung der Versammlung innerhalb des möglichen Zeitrahmens gefährdet (BGHZ 44, 247; Bauer § 43 RN 65; Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 43 RN 30; vgl. oben 3.2.4). Einer Willensbildung der Generalversammlung bedarf es diesbezüglich nicht (OLG Stuttgart AG 1995, S. 234). Dabei ist sicherzustellen, dass die Mitglieder trotz der Redezeitbeschränkung in der Lage sind, ihren Standpunkt vor der Generalversammlung in verständlicher Form darzulegen (BGHZ 44, S. 245 ff., 252 f.; Bauer § 43 RN 44; Beuthien § 43 RN 14; Müller § 43 RN 13). Eine Verkürzung der Redezeit unter zehn Minuten kommt nur ausnahmsweise – beispielsweise zur Begründung von Geschäftsordnungsanträgen – in Betracht (vgl. MünchHdb.AG/Semler § 36 RN 46). Zudem gilt es, dem unabdingbaren Grundsatz der Gleichbehandlung aller Versammlungsteilnehmer Rechnung zu tragen. Im Übrigen erfasst die Begrenzung der Redezeit nicht das unabdingbare Auskunfts- und Fragerecht der Versammlungsteilnehmer (vgl. unten 3.3.3). Dieses kann entsprechend § 131 Abs. 2 S. 2 AktG nur im Rahmen einer Satzungsregelung in angemessener Weise zeitlich beschränkt werden. Fragen dürfen folglich nicht auf die Redezeit angerechnet werden (BGHZ 44, S. 245 ff., 252).
Rz. 66
Ist der (divergierende) Meinungsstand in der Versammlung bereits umfassend erörtert und keine zusätzliche Klärung zu erwarten, so kann der Versammlungsleiter auch die Schließung der Rednerliste oder – bei Gefährdung des zeitlichen Versammlungsablaufs – den ›Schluss der Debatte‹ anordnen, mit der Folge, dass im letzteren Falle auch die bereits erfolgten Wortmeldungen nicht mehr zugelassen werden.
Rz. 67
Unabhängig vom Rederecht und der Zuständigkeit des Versammlungsleiters bleiben die Teilnehmer jederzeit befugt, Anträge zur Geschäftsordnung zu stellen. Sie können somit ihrerseits die Umstellung der Tagesordnung, Vertagung, eine Begrenzung der Redezeit, den Schluss der Debatte oder vergleichbare Maßnahmen beantragen, die den organisatorischen Ablauf der Versammlung betreffen. Die entsprechende Beschlussfassung der Versammlung ist seitens des Versammlungsleiters unverzüglich und vor der Abstimmung hinsichtlich der ›materiellen‹ Entscheidungsvorlagen herbeizuführen.
Rz. 68
Darüber hinaus ist jedes Mitglied befugt, (Sach-)Anträge hinsichtlich der zur Beschlussfassung anstehenden Gegenstände der Tagesordnung zu stellen (Bauer § 43 RN 74; Beuthien § 43 RN 16; Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 43 RN 26; Müller § 43 RN 39), soweit diese nicht gegen Gesetz oder Satzung verstoßen (Bauer a.a.O; Müller a. a. O. RN 40). Darüber hinausgehende oder ergänzende Anträge kommen bereits wegen der zwingend einzuhaltenden Ankündigungsfrist (§ 46 Abs. 2) nicht in Betracht und müssen vom Versammlungsleiter zurückgewiesen werden. Etwas anderes gilt nur im (seltenen) Falle einer Vollversammlung (§ 46 Abs. 2 S. 2). Möglich ist allerdings, weitere Gegenstände zur Beratung und Diskussion zuzulassen. Über deren Zweckdienlichkeit entscheidet der Versammlungsleiter.