Rz. 86
Entsprechend § 43 Abs. 5 können die Mitglieder oder ihre gesetzlichen Vertreter Stimmrechtsvollmacht erteilen. Ein genereller Ausschluss der Bevollmächtigung kommt nach der ausdrücklichen Änderung der Bestimmung im Rahmen der Genossenschaftsnovelle 2006 nicht mehr in Betracht. Aus Sicht des Gesetzgebers erschien eine Änderung vor allem im Blick auf § 67 a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 geboten, da das dort verortete Recht zur außerordentlichen Kündigung der Mitgliedschaft nur ausgeübt werden kann, wenn das Mitglied gegen den Beschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt hat. Ist es erkrankt oder in anderer Weise verhindert, so eröffnet die Neuregelung ihm nunmehr die Möglichkeit, sein Widerspruchsrecht durch einen Bevollmächtigten auszuüben (BT-Drucks. 16/1025 zu § 43). Nach Sinn und Zweck der Regelung kommt auch eine Beschränkung der Bevollmächtigung auf bestimmte Beschlussgegenstände nicht mehr in Betracht (Bauer § 43 RN 156).
Rz. 87
Die Bevollmächtigten müssen nicht Mitglieder der Genossenschaft sein, doch kann die Satzung eine entsprechende Regelung vorsehen (Abs. 5 S. 3). So ist es möglich, die Bevollmächtigung von persönlichen Voraussetzungen in der Person des Bevollmächtigten abhängig zu machen und insbesondere die Bevollmächtigung solcher Personen auszuschließen, die sich geschäftsmäßig zur Ausübung des Stimmrechts erbieten (§ 43 Abs. 5 S. 3). Unzulässig ist es demgegenüber, die Anerkennung der Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht in das Ermessen des Vorstands oder des Versammlungsleiters zu stellen. Kein Bevollmächtigter kann mehr als zwei Mitglieder vertreten (§ 43 Abs. 5 S. 3), doch kann die Satzung die Mehrfachvertretung grundsätzlich untersagen (Bauer § 43 RN 168; Beuthien § 43 RN 23). Abs. 5 S. 3 erfasst nach seinem eindeutigen Wortlaut nicht die gesetzliche Vertretung; hier ist Mehrfachvertretung vielmehr unbeschränkt zulässig (Bauer § 43 RN 167; Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 43 RN 89; Müller § 43 RN 49, 53 a). Im Übrigen ist der Bevollmächtigte nicht gehindert, neben dem Vollmachtsstimmrecht seine eigene Mitgliedschaft wahrzunehmen. Das eigene Stimmrecht und die Stimmabgabe als gesetzlicher Vertreter finden auf die ›Höchstzahl‹ der Mandate gem. Abs. 5 S. 3 folglich keine Anrechnung.
Rz. 88
Auch juristische Personen kommen als Bevollmächtigte in Betracht. Diese handeln bei der Stimmabgabe durch ihre organschaftlichen Vertreter (Bauer § 43 RN 157). Allerdings scheidet eine Bevollmächtigung der Genossenschaft selbst ebenso aus, wie von Mitgliedern des Aufsichtsrats oder des Vorstands, da dies zu einer wesentlichen Durchbrechung des Systems genossenschaftlicher Gewaltenteilung führen würde (a. A.: Bauer § 43 RN 157; Beuthien § 43 RN 23; Müller § 43 RN 51, die zwar nicht die Bevollmächtigung des Vorstands oder des Aufsichtsrats als zulässig erachten, aber die Bevollmächtigung einzelner Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglieder).
Rz. 89
Die Bevollmächtigung bedarf notwendig der Schriftform (§ 43 Abs. 5 S. 2). Sie erfordert folglich die eigenhändigen Unterschrift seitens des Vollmachtgebers (§ 126 Abs. 1 BGB); doch kann die Satzung strengere Erfordernisse (z.B. notarielle Beglaubigung der Unterschrift) aufstellen (Bauer § 43 RN 159; Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 43 RN 91; a. A.: Müller § 43 RN 57). Die Vollmachtsurkunde muss erkennen lassen, dass sie auch und gerade zur Wahrnehmung des Stimmrechts in der Generalversammlung berechtigt. Die Prüfung der Vollmacht und die Zulassung des Vertreters obliegen insoweit dem Versammlungsleiter. Zu diesem Zweck ist ihm die Vollmachtsurkunde vorzulegen (Bauer § 43 RN 161; Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 43 RN 94; Müller § 43 RN 57). Diese verbleibt aus Beweisgründen bei der eG. Mit der Stimmrechtsvollmacht erwirbt der Vertreter notwendig die damit verbundenen ›Begleitrechte‹. Dies betrifft neben dem Teilnahme-, insbesondere das Rede- und Antrags- sowie das Auskunftsrecht einschließlich der Befugnis, Beschlüsse der Generalversammlung anzufechten (§ 51; Bauer § 43 RN 164; Beuthien § 43 RN 23; Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 43 RN 98; Müller § 43 RN 52; Pöhlmann/Fandrich/Bloehs § 43 RN 55). Vertritt der Bevollmächtigte mehrere Mitglieder, so ist er nicht verpflichtet, das Stimmrecht für alle Vertretenen einheitlich auszuüben (Bauer § 43 RN 163; Beuthien § 43 RN 23; Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 43 RN 101; Pöhlmann/Fandrich/Bloehs § 43 RN 55). Dies folgt notwendig aus dem Umstand, dass der Vertreter im Innenverhältnis regelmäßig den Weisungen des Vertretenen unterliegt (Bauer § 43 RN 158; Beuthien § 43 RN 23; Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 43 RN 93; Müller § 43 RN 59 b). Allerdings lässt eine ›weisungswidrige‹ Abstimmung seitens des Bevollmächtigten die Wirksamkeit seiner Stimmabgabe unberührt. Sieht man hiervon ab, so kann die Stimmrechtsvollmacht seitens des Vollmachtgebers jederzeit widerrufen werden. Die Erteilung einer unwiderruflichen Stimmrechtsvollmacht ist folglich nicht zulässig (Bauer § 43 RN 166; Müller § 43 RN 58).