Rz. 8
Die genossenschaftliche Pflichtprüfung ist ein Instrument zur Umsetzung des dem genossenschaftlichen Prinzips zugrunde liegenden Gedankens der Selbstverwaltung, Selbsthilfe und Selbstverantwortung. Aus diesem Leitbild heraus unterscheidet sie sich deutlich von der für die Kapitalgesellschaften geltenden Regelungen der Abschlussprüfungen (Bergmann, ZfgG 2001, 217; Esser, Hillebrand, Walter, WPg 2007, S. 32).
Die Unterscheidung betrifft sowohl die Wahl des Abschlussprüfers, die Prüfungsinhalte, die Prüfungsausrichtung und ihre Zielsetzung.
Aus dem Wesen der Zwangsmitgliedschaft ergibt sich, dass die e.G. im Gegensatz zu Kapitalgesellschaften ihren Prüfer nicht frei wählen kann. Während sich bei den Kapitalgesellschaften die Prüfung gemäß § 316 Abs. 1 HGB ausschließlich auf die Prüfung des Jahresabschlusses und den Lagebericht erstreckt, hat die genossenschaftliche Pflichtprüfung die Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse und der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung zum Inhalt. Gegenstand der Prüfung sind die Einrichtung der Genossenschaft, ihre Vermögenslage sowie die Geschäftsführung einschließlich der Führung der Mitgliederliste (Beuthien, § 53 RN 14, 15, 16).
Rz. 9
Die Prüfung der Kapitalgesellschaften ist in ihrem Ansatz auf die Prüfung der Rechnungslegung angelegt (Jenkis, BB 1982, S. 1702). Die Prüfung nach den §§ 316 ff. HGB hat den Zweck festzustellen, ob die Kapitalgesellschaft ihr Rechnungswerk gemäß den einschlägigen Vorschriften ordnungsgemäß angelegt hat und damit – neben Beachtung der gesetzlichen und gesellschaftsvertraglichen Regelungen – auch ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt (Forster, WPg 1998, S. 41, 45; Dörner/Schwegler, DB 1997, S. 285; Dörner, DB 1998, S. 1; Klar, DB 1997 S. 685).
Rz. 10
Während sich bei Kapitalgesellschaften der Prüfungszeitraum überwiegend auf das vergangene Geschäftsjahr erstreckt, ist die genossenschaftliche Prüfung nicht primär auf die Abschlussprüfung des vergangenen Geschäftsjahres angelegt, sondern aufgrund der vom Gesetz vorgegebenen Zielsetzung der Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse auch darauf angelegt, die über das vergangene Geschäftsjahr hinaus bis zum Prüfungszeitraum entwickelte Geschäftstätigkeit zu prüfen und darüber zu berichten (Bergmann, ZfgG, 2001, 217; Beuthien, § 53 RN 5). Damit wird sichergestellt, dass eine möglichst aktuelle zeitnahe Prüfung und Übermittlung der Prüfungsergebnisse zu den wirtschaftlichen Verhältnissen an die Organe der Genossenschaft erfolgt (Beuthien, § 53 RN 18).
Mit dem durch das ›Gesetz zum Bürokratieabbau und zur Förderung der Transparenz bei Genossenschaften‹ vom 17.07.2017 (BGBl. I S. 2434) eingefügten § 53 a wurde mit Wirkung vom 22.07.2017 ermöglicht, bei sehr kleinen Genossenschaften jede zweite Prüfung als sog. Inhouse-Prüfung auf die Durchsicht bestimmter Unterlagen zu beschränken (vgl. im Einzelnen § 53 a, RN 1). Die Einführung einer vereinfachten Prüfung für Kleinstgenossenschaften war bereits im Vorfeld angesichts des umfassenden Prüfungsauftrags des Verbands umstritten, erschien dem Gesetzgeber aber als adäquater Weg für die Öffnung der Genossenschaftsform für bürgerliches Engagement und mit geringem Kapitaleinsatz (Blome-Dress, ZfgG 2017, S. 1). Mit der vereinfachten Prüfung wird der Zweck der Pflichtprüfung nicht mehr vollständig erfüllt. Zweck der genossenschaftlichen Pflichtprüfung ist neben dem Schutz der Mitglieder und der Gläubiger der Genossenschaft auch der Beitrag zur Entwicklung des gesamten Genossenschaftswesens (Bergmann, ZfgG 2001, S. 2). Die Reduzierung der genossenschaftlichen Pflichtprüfung auf die Durchsicht einzelner Unterlagen, die für die umfassende Beurteilung keine ausreichende Grundlage darstellen, ist selbst bei den Kleinstgenossenschaften als nicht ausreichend anzusehen – schon allein die vollständige Prüfung des Förderauftrags ist bei der vereinfachten Prüfung nicht mehr gegeben.
Bei den Kapitalgesellschaften ist ab einer bestimmten Größe (mittelgroße und große Gesellschaften) die jährliche Pflichtprüfung vorgesehen, vgl. § 267 HGB. Kleine Kapitalgesellschaften i. S. v. § 267 HGB sind nicht prüfungspflichtig. Durch die Anhebung der Schwellenwerte durch das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) entfiel die Prüfungspflicht für eine gewisse Zahl von bisher mittelgroßen und künftig kleinen Kapitalgesellschaften, die die neuen Schwellenwerte für eine mittelgroße Kapitalgesellschaft nicht erreichen (BT-Drucks. 16/10067, S. 43). Bei den Genossenschaften ist grundsätzlich ein einjähriger Prüfungsturnus vorgeschrieben, wobei für Genossenschaften, deren Bilanzsumme 2 Millionen Euro nicht übersteigt, ein zweijähriger Prüfungsrhythmus gilt (Beuthien, § 53 RN 18).
Die aktuellen Größenklassen bei Genossenschaften und die damit verbundenen Prüfungsfolgen stellen sich auf Basis des handelsrechtlichen Jahresabschlusses wie folgt dar:
Größenklassen von Genossenschaften und Prüfungsfolgen |
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Größenklassen |
Kriteri... |