Rz. 2
Vor dem Hintergrund der zuvor beschriebenen Zweckbestimmung der Pflichtmitgliedschaft hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG Beschluss vom 19.01.2001, 1 BvR 1759/91, NJW 2001, S. 2617 ff., DB 2001, S. 2696 ff.) die Pflichtmitgliedschaft im genossenschaftlichen Prüfungsverband für verfassungsgemäß erklärt (zustimmend Schaffland, DB 2001, S. 2599, Steding, NJW 2001, S. 355, Spanier, WPg 2001, S. 767, AA. Hucke, WPg 2001, S. 558; Irma Rybinkova/Sarah Lange, Welchen Sinn sehen kleinere Genossenschaften in der Genossenschaftsprüfung?, ZfgG 4/2014, 265 ff. m. w. N.). Das Bundesverfassungsgericht hält die Pflichtmitgliedschaft zur sachgemäßen Erfüllung der Prüfungsaufgabe für erforderlich und geeignet (vgl. auch Beuthien, § 54 RN 6). Maßstab für die Erforderlichkeit seien die Zwecke des genossenschaftlichen Prüfungssystems, die sich aus den strukturellen Unterschieden der Genossenschaft zu anderen Rechtsformen ergeben. Transparenz der wirtschaftlichen Verhältnisse und ordnungsgemäße Geschäftsführung bei Genossenschaften sollen dem Schutz der Mitglieder, der Gläubiger und der Allgemeinheit dienen. Die Genossenschaft unterscheide sich von dem anderen Rechtsraum sowohl durch ihren besonderen Förderzweck als auch durch ihre Binnenstruktur. Die starke Stellung des Vorstandes wie auch der Grundsatz der Selbstorganschaft von Aufsichtsrat und Vorstand könne zu Qualitätsproblemen in der Geschäftsführung führen. Mangels Fungibilität der Genossenschaftsanteile fehle eine Kapitalmarktkontrolle. Außerdem fehle eine Mindestkapitalregelung und die Nachschussverpflichtung könne zudem ausgeschlossen werden. Die Pflichtmitgliedschaft habe sich auch in der Vergangenheit als geeignetes Mittel zur Erfüllung der Schutzzwecke bewährt, da auf diese Art und Weise weitreichende Insolvenzsicherheit der Genossenschaft gewährleistet werde. Mit der Freigabe der Prüferwahl ließen sich die verfolgten Zwecke nicht mit der gleichen Wirksamkeit erreichen. Es müsse ein starkes, engmaschig und auf Dauer angelegtes Sicherungssystem bestehen, das mit dem Solidarprinzip der Genossenschaften vereinbar ist und das notwendige Vertrauen in die Rechtsform stärke. Zudem biete die Pflichtmitgliedschaft die größere institutionelle Unabhängigkeit. Dadurch würde eine breitere finanzielle und organisatorische Basis für die Prüfungsverbände geschaffen als dies bei ›freien Wirtschaftsprüfern‹ der Fall wäre (BVerfG NJW 2001, S. 2617 ff.).
Die durch die Pflichtprüfung verfolgten normativen Zwecke des Schutzes der Mitglieder sowie der Genossenschaftsgläubiger seien im Lichte des Sozialstaatsgebots (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Grundgesetz) und zur Sicherung der Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz) hinreichend legitimiert. Zudem erweise sich die ausschließliche Übertragung des Prüfungsrechts auf die Prüfungsverbände zur Verwirklichung der Schutzziele als geeignete Maßnahme des Gesetzgebers, die auch den Geboten der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit entsprächen (BVerfG NJW 2001, S. 2617 ff.).
Rz. 3
Damit hält das Bundesverfassungsgericht die Pflichtmitgliedschaft als eine aus sachlichen Gründen erforderliche, geeignete und zumutbare Ausgestaltung des Grundrechts der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 GG.
Das Bundesverfassungsgericht folgt mit seiner Entscheidung der bis zu ihrem Ergehen bestandenen herrschenden Lehre in der Literatur (Holthaus/Lehnhoff in L/W, § 54 RN 8 ff. m.w.N, vgl. auch Literaturnachweise bei Bauer § 54 RN 3). Demgegenüber haben kritische Stimmen in der Literatur die Pflichtmitgliedschaft der Genossenschaften in den Prüfungsverbänden zwar als historisch legitimiert und bewährt gesehen, jedoch auch für erneuerungsbedürftig, nicht zuletzt aus wettbewerbsrechtlicher Sicht, gehalten (Glenk/Dietermann, NJW 1997, S. 110 f.). Auch die freie Wählbarkeit der Prüfungsverbände ist diskutiert worden (Gehrlein, WM 1995, S. 1782 ff.). Müller hat die Regelung des
§ 54 als nicht mehr durch Art. 9 Grundgesetz abgedeckt gesehen (Müller, § 54 RN 6, 6 a).
Rz. 4
Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist diesem Streit der Boden entzogen. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts überzeugen durch ihre klaren Aussagen zur genossenschaftsspezifischen Besonderheit und Erfordernis der genossenschaftliche Betreuungsprüfung. Der Fördergedanke und die Struktur der Genossenschaft im Sinne einer Selbstverwaltung wird in der Prüfungsverbandmitgliedschaft um- und fortgesetzt (Beuthien, § 54 RN 7). Träger der Prüfungsverbände sind die ihnen angeschlossenen Genossenschaften; die Satzungsbestimmungen der Prüfungsverbände beruhen auf nach demokratischen Grundregeln verfassten Beschlüssen (Graumann ZfgG 1998 S. 7, 19). Aus Gründen der Einheitlichkeit und Rechtssicherheit werden in § 63 b die Aufgaben der Prüfungsverbände zudem gesetzlich festgeschrieben. Eine in diesem Sinne gegebene Pflichtmitgliedschaft ist für die Prüfungsverbände Berechtigung und Verpflichtung zugleich.
Die Pflichtverbandsprüfung ist aus Gründen des Gläubigerschutzes der unverzi...