Rz. 6
Nach § 63 b Abs. 1 GenG soll der Prüfungsverband in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins geführt werden (vgl. § 63 b RN 1). Der Erwerb der Mitgliedschaft erfolgt demnach nach vereinsrechtlichen Regeln. Das Rechtsverhältnis zwischen Prüfungsverband und Genossenschaft ist damit zivilrechtlicher Natur und wird bestimmt durch die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches und der Verbandssatzung (Holthaus/Lehnhoff in L/W, § 54 RN 9).
Die Genossenschaften werden daher nicht per Gesetz in den Prüfungsverband aufgenommen, sondern durch Beitrittserklärung mit anschließender Aufnahmeerklärung (vgl. BGH Urteil vom 24.05.1962, KZR 10/61, BGHZ 37, S. 160, 164).
Rz. 7
Zwar wird dem Verband das Prüfungsrecht behördlicherseits durch Hoheitsakt verliehen. Dieser Umstand begründet jedoch keinen Anspruch auf Aufnahme in den Verband (demgegenüber für eine gesetzliche Aufnahmepflicht des Prüfungsverbandes: Schöpflin in Beuthien, § 54 RN 10). Die Aufsichtsbehörde kann den Prüfungsverband durch Auflagen (§§ 64, 64 a) zur Zulassung von Genossenschaften anhalten. Derartige Auflagen ersetzen jedoch nicht den Aufnahmeantrag und seine Bewilligung durch den Prüfungsverband.
Rz. 8
Die durch die Pflichtmitgliedschaft begründete Sonderstellung des Verbandes sowie die verfassungsmäßigen Grenzen der garantierten Koalititionsfreiheit des Art. 9 GG reduzieren die freie Entscheidungsfindung des Verbandes hinsichtlich der Aufnahme auf ein pflichtgemäßes Ermessen. Nach der Rechtsprechung des BGH kann ein Anspruch auf Aufnahme in einen Verein nicht nur bei Monopolvereinigungen, sondern auch dann bestehen, wenn ein Verein oder ein Verband im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich eine überragende Machtstellung innehat und ein schwerwiegendes Interesse von Beitrittswilligen am Erwerb der Mitgliedschaft besteht (BGH Urteil vom 10.12.1984, II ZR 91/94, BGHZ 93, 151) bzw. der Bewerber zur Verfolgung oder Wahrung wesentlicher Interessen auf die Mitgliedschaft angewiesen ist (BGH Urteil vom 26.06.1979, KZR 25/78, BB 1980, S. 176). Diese auf eine grundsätzliche Aufnahme hinauslaufende Verpflichtung wird zutreffenderweise als funktionale Kehrseite der Pflichtmitgliedschaft bezeichnet (Schöpflin in Beuthien, § 54 RN 10).
Von dem grundsätzlich bestehenden Aufnahmegebot können nur Ausnahmen gemacht werden, wenn sachliche oder rechtliche Gründe dagegen stehen, insbesondere wenn eine Gefährdung der Mitglieder oder Gläubiger aufgrund der wirtschaftlichen oder personellen Verhältnisse zu besorgen ist (§ 11 Abs. 2 Nr. 3) oder bei entgegenstehenden wesentlichen Verbandsinteressen (BGH BB 1970, S. 224) sowie bei vorausgegangenem Ausschluss aus dem Verband (BGH Urteil vom 19.11.1959, II ZR 73/59, BB 1959, S. 1272) bzw. Schwesterverband.
Rz. 9
Soweit ein Aufnahmehindernis besteht, hat der Verband der Genossenschaft die Möglichkeit zu geben, dieses auszuräumen (vgl. auch Aufzählung von Holthaus/Lehnhoff in L/W, § 54 RN 10).
Eine Ablehnung der Aufnahme ist zu begründen, den Verband trifft insoweit die Darlegungs- und Beweislast.
Kein Ablehnungsgrund ist ein aufgrund der Marktsituation fehlendes wirtschaftliches Bedürfnis für die Gründung der Genossenschaft. Keinesfalls hat der Verband aus Wettbewerbsaspekten zum Schutz von Alt-Mitgliedern neuen Mitgliedern den Zutritt zu verweigern.
Gegen die Ablehnung der Aufnahme vorzugehen, ist dem Zivilrechtsweg vorbehalten. Ein für eine derartige Klage notwendiges Rechtsschutzbedürfnis ist regelmäßig nur dann gegeben, wenn der Prüfungsverband die Aufnahme abgelehnt hat und die ggf. bestehenden satzungsmäßigen Rechtsbehelfe erfolglos ausgeschöpft worden sind (Schöpflin in Beuthien, § 54 RN 10, BGH Urteil vom 22.05.1958, II ZR 316/56, BGHZ 27, 298). Die Rechtsnatur des Aufnahmeanspruches ist in der Literatur umstritten.
Rz. 10
Von einem Teil der Literatur wird aus der Zwangsmitgliedschaft für die Genossenschaft umgekehrt in gleicher Weise eine gesellschaftsrechtliche Aufnahmeverpflichtung angenommen, wenn die gesetzlichen und satzungsgemäßen Voraussetzungen vorliegen (Schöpflin in Beuthien, § 54 RN 10 f.; Müller, § 54 RN 9).
Nach anderer Auffassung ist der Aufnahmeanspruch aus § 20 Abs. 6 i. V. m. § 32 GWB herzuleiten (Holthaus/Lehnhoff in L/W, § 54 RN 14).
Nach § 20 Abs. 6 GWB darf eine Wirtschafts- und Berufsvereinigung die Aufnahme eines Unternehmens nicht ablehnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung darstellen und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führen würde. Die Kartellbehörde kann die Wirtschaftsvereinigung zwingen, dieses Verhalten zu unterlassen. Darüber hinaus kann die Kartellbehörde der Wirtschaftsvereinigung nach § 32 Abs. 2 GWB alle Maßnahmen aufgeben, die für eine wirksame Abstellung der Zuwiderhandlung erforderlich und verhältnismäßig sind. Das bedeutet, dass die Kartellbehörde auch den Prüfungsverbänden bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 20 Abs. 6 GWB die Aufnahme einer Genossenschaft auferlegen kann (Holthaus/Lehnhoff in L/W, § 54 RN 14).