Rz. 13
Gesetzlich ist die Doppelmitgliedschaft in zwei verschiedenen Prüfungsverbänden nicht ausgeschlossen, wobei freilich die gesetzlich festgelegte Pflichtmitgliedschaft in einem Prüfungsverband und damit das Prüfungsrecht nur in einem Verband bestehen kann (Holthaus/Lehnhoff in L/W, § 54 RN 20). Im Falle der Doppelmitgliedschaft ist zu unterscheiden, ob die Verbandssatzung ein Wahlrecht hinsichtlich des Prüfungsverbands ausschließt oder nicht (BGH, Urteil vom 10.01.2017, Az II ZR 10/15).
Grundsätzlich ergibt sich ein Rechtsanspruch des Prüfungsverbands, die ihm zugehörige Mitgliedsgenossenschaft gem. §§ 53 ff. zu prüfen, bereits aus dem mitgliedschaftlichen Verhältnis, ohne dass dies einer ausdrücklichen Satzungsregelung bedarf. Dem Prüfungsrecht des Verbandes entspricht die Verpflichtung der Genossenschaft, die Prüfung zu dulden. Bezüglich des Wahlrechts unabhängig von einer einschränkenden Satzungsregelung geht die h. M. grundsätzlich nicht von einem freien Bestimmungsrecht der Genossenschaft aus. Ein Teil der Kommentierung sieht ein Wahlrecht bei der Genossenschaft, das jährlich frei ausgeübt werden darf, als gegeben und stützt sich bei dieser Auffassung auf Art. 9 GG und die Gleichrangigkeit aller Verbände (so Bauer § 54 RN 12). Die Gegenmeinung, einer Genossenschaft stehe für diese Fälle kein Wahlrecht zu (Beuthien, WPG 2012, 715 ff.; GenG § 54 RN 2), wird u. a. mit dem Dauerbetreuungscharakter der genossenschaftlichen Prüfung bzw. Prüfungskontinuität begründet und somit das Prüfungsrecht beim Erstverband, bei dem die Mitgliedschaft begründet wird, verortet (Beuthien, § 54 RN 2 a).
Der BGH (a. a. O., Vorinstanz das viel zitierte und vom BGH schließlich bestätigte OLG Jena (Az 7 U 344/14)), sieht zwar ein Wahlrecht grundsätzlich als gegeben an, stellt aber klar, dass dieses Wahlrecht bei einer Doppelmitgliedschaft durch die Verbandssatzung ausgeschlossen werden kann. Die Satzung kann dabei in den durch das Vereinsrecht und das Genossenschaftsgesetz gezogenen Grenzen näher ausgestaltet werden. Hierdurch werden der Umfang des Prüfungsrechts und die hiermit korrespondierende Duldungspflicht der Genossenschaft näher bestimmt. So ist es auch möglich, dass durch die Verbandssatzung ausgeschlossen wird, dass eine Genossenschaft, die mehreren Prüfungsverbänden angehört, wählen kann, durch welchen Verband sie sich prüfen lässt. Der BGH begründet dies mit der freiwilligen Unterwerfung der Mitgliedsgenossenschaft unter die Satzung durch den Beitritt zum Prüfungsverband. Lässt sich die Satzungsregelung dahin gehend auslegen, dass ein entsprechender Ausschluss des Wahlrechts vorliegt, so muss die Genossenschaft die Mitgliedschaft kündigen, wenn sie die Pflichtprüfung ausschließlich durch den anderen Verband, dessen Mitglied sie auch ist, durchführen lassen will. Dies hat nicht zur Folge, dass eine erneute Prüfung durch den Prüfungsverband, der verlassen werden soll, für das Mitglied unzumutbar wird, wenn der dann ausgewählte Prüfungsverband satzungsmäßig ebenfalls eine verpflichtende Prüfung vorsieht. Diese Lage hat das Mitglied, so der BGH, durch einen weiteren Beitritt selbst und damit freiwillig herbeigeführt. Der BGH stellt obiter dictum darüber hinaus klar, dass der Verband die Genossenschaft ausschließen kann, wenn sie eine nach dem Genossenschaftsgesetz angeordnete Prüfung ohne Zustimmung des Prüfungsverbands durch einen anderen Verband durchführen lässt.
Vereinbarungen zur Regelung der Zuständigkeiten zwischen den Prüfungsverbänden und der Genossenschaft sind zulässig (BGH II ZR 10/15 RZ 6; Beuthien, § 54 RN 3, Bauer § 54 RN 12). Inhalt der Vereinbarungen kann die Festlegung der Prüfungszuständigkeit zugunsten eines Verbandes oder ein turnusmäßiger Wechsel sein. Daneben besteht die Möglichkeit für die Genossenschaft unter Beachtung der satzungsmäßigen Kündigungsfrist die Rechtsstellung als gesetzlicher Prüfungsverband im Wege der Teilkündigung auf den anderen Verband zu übertragen – jedoch nur dann, wenn der betroffene Prüfungsverband eine Mitgliedschaft entsprechenden Zuschnitts anbietet (BGH a. a. O.
RZ 24).
Rz. 14
Das Beratungs- und Betreuungsrecht obliegt grundsätzlich den nach den o.a. Kriterien zu bestimmenden gesetzlichen Prüfungsverband (BGH a. a. O. RZ 20; a. A. Holthaus/Lehnhoff in L/W, § 54 RN 27) und kann davon abweichend durch entsprechende Vereinbarungen zwischen den Parteien geregelt werden.