1 Allgemeines

 

Rz. 1

Im genossenschaftlichen Prüfungssystem erhält der Verband durch die Regelung des § 60 über die allgemeinen Befugnisse eines Abschlussprüfers nach §§ 316 ff. HGB hinaus eine Stellung, die seine Funktionsweise und Aufgabe zum Schutz der Genossenschaftsmitglieder deutlich unterstreicht. Im Gegensatz zu den Rechten des Abschlussprüfers gemäß §§ 316 ff. HGB endet der Aufgabenbereich des Prüfungsverbandes nicht mit der Prüfungsdurchführung, Berichterstattung und Teilnahme an der Bilanzsitzung des Aufsichtsrates, vielmehr ist er auch für die sachgerechte Auswertung und Umsetzung der im Prüfungsbericht niedergeschriebenen Prüfungsfeststellungen zuständig. Die sachliche und rechtzeitige Unterrichtung der Generalversammlung über wesentliche Prüfungsfeststellungen stellt einen wichtigen Schritt zur Prüfungsverfolgung dar, mit dem insbesondere Mängel beseitigt werden sollen (Schöpflin in Beuthien, § 60 RN 1).

Der Zweck der vom Prüfungsverband einberufenen Generalversammlung ist darauf gerichtet, die Mitglieder über die in der Prüfung festgestellten Mängel hinreichend zu informieren, ihre Beseitigung zu erörtern und ggf. erforderliche Beschlüsse zu fassen (Holthaus/Lehnhoff in L/W, § 60 RN 4). Insoweit stellt § 60 eine weitere Ausprägung der genossenschaftlichen Betreuungsprüfung dar (vgl. § 53 RN 8 ff.). Mit dem Einberufungsrecht und der Unterrichtung der Generalversammlung erschöpfen sich die Rechte des Prüfungsverbandes. Er hat keinen Anspruch auf Mängelbeseitigung oder auf notwendige Beschlüsse. Die Entscheidungen darüber fallen in das Selbstverwaltungsrecht der Genossenschaft, d. h. in die Kompetenz der Generalversammlung (Bauer § 60 RN 2).

2 Voraussetzungen für das Einberufungsrecht des Verbandes

 

Rz. 2

Eine ungebührlich verzögerte Beschlussfassung über den Prüfungsbericht ist gegeben, wenn der Prüfungsbericht nach seiner Vorlage nicht Gegenstand der Tagesordnung in der nächsten ordentlichen Generalversammlung ist (Beuthien, § 60 RN 1). Da die Feststellung des Jahresabschlusses anders als bei der AG und der prüfungspflichtigen GmbH keinen geprüften Jahresabschluss voraussetzt, besteht das dringende Informationsbedürfnis der Generalversammlung, über die Prüfungsergebnisse, ggf. über einen bereits vor der Prüfung von ihr festgestellten Jahresabschluss, unterrichtet zu werden. Ferner kann eine ungebührlich verzögerte Beschlussfassung auch dann vorliegen, wenn besondere Umstände (z. B. drohende Insolvenz, Feststellung von strafrechtlich relevanten Handlungen) eine sofortige Unterrichtung der Generalversammlung geboten erscheinen lassen (Müller, § 60 RN 1).

Sollte durch eine mangelnde Prüfungsbereitschaft der Genossenschaft die Erstellung des Prüfungsberichts nicht oder noch nicht möglich sein, ist ein Einberufungsrecht des Prüfungsverbandes zur Information der Mitglieder bzw. Vertreter fraglich, da der Prüfungsbericht nicht gegenständlich vorliegt. Nach dem Wortlaut von § 60 Abs. 1 könnte das gegenständliche Vorliegen als Voraussetzung für eine Einberufung verstanden werden.

Im Prüfungsbericht werden die Prüfungsfeststellungen schriftlich erfasst (§ 58 GenG). Eine solche Feststellung kann auch sein, dass die Genossenschaft die Prüfung verweigert hat. Allerdings ist dieser Feststellung prüfungsrechtlich vorzuschalten, dass der Prüfungsverband von den gesetzlichen Möglichkeiten, die Prüfungsdurchführung durchzusetzen, auch Gebrauch macht. Hierfür vorgesehen ist die Festsetzung von Zwangsgeld durch das Registergericht (§ 160 GenG). Auch die Erzwingung der Prüfung im Zivilrechtswege ist möglich in Form einer Klage auf Unterwerfung unter die Prüfung sowie auf die erforderliche Mitwirkung am Prüfungsverfahren (Holthaus/Lehnhoff L/W, § 53 RN 40; Bauer § 53 RN 54). Eine Einberufung der Versammlung, um auf die mangelnde Prüfungsbereitschaft hinzuweisen, und ohne Vorliegen eines Prüfungsberichts wäre demnach aufgrund der rechtlichen Instrumentarien grundsätzlich nicht erforderlich. § 60 ist demnach als korrespondierende Regelung zur Kenntnisnahmepflicht des Prüfungsberichts durch die Versammlung nach § 59 GenG zu sehen. Sollte daher der Verband auch ohne Vorliegen eines Prüfungsberichts einberufen, so könnte dies entsprechend § 241 Nr. 1 AktG zur Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse führen (vgl. Bauer, § 44 Rdnr. 17).

In den Fällen, in denen eine Einberufung zur Situation der Genossenschaft und Information an die Mitglieder zur mangelnden Prüfungsbereitschaft der Genossenschaft unbedingt erforderlich ist, die Voraussetzungen nach § 60 GenG nicht gegeben und Vorstand und Aufsichtsrat nicht zur Einberufung willens sind, kann eine Einberufung nach § 44 Abs. 2 bzw. Abs. 1 GenG durch den Prüfungsverband gerechtfertigt sein. § 44 bestimmt, dass eine Einberufung durch diejenigen möglich ist, die nach Gesetz oder Satzung zur Einberufung legitimiert sind. Die Regelung des § 44 gibt demnach nicht nur dem Vorstand ein Einberufungsrecht (§ 44 Abs. 1), sondern erweitert das Einberufungsrecht auf sonst zur Einberufung Berechtigte, somit auch den Prüfungsverband nach § 60. Dies gilt jedoch nur dann, ...

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