1 Voraussetzung für eine gerichtliche Bestellung
Rz. 1
Es entspricht der Konzeption des genossenschaftlichen Prüfungswesens, dass jede Genossenschaft ständig einem Prüfungsverband anzugehören hat. Da das Entstehen einer eingetragenen Genossenschaft von der Mitgliedschaft in einem Prüfungsverband abhängt, kommt eine gerichtliche Bestellung nur in Fällen vorübergehender Nichtzugehörigkeit zu einem Prüfungsverband in Betracht:
- Kündigung der Mitgliedschaft in einem Prüfungsverband
- Ausschluss aus einem Prüfungsverband
- dem Verband ist das Prüfungsrecht entzogen worden
- Auflösung des Prüfungsverbandes.
Rz. 2
Kein Bestellungsgrund ist dagegen in den Fällen gegeben, in denen sich der Prüfungsverband weigert, seine Aufgaben wahrzunehmen (Holthaus/Lehnhoff in L/W, § 64 b RN 1), denn solange die Genossenschaft Mitglied eines Prüfungsverbandes ist, hat der Prüfungsverband die ihm obliegenden Pflichten wahrzunehmen, insbesondere die gesetzliche Prüfung durchzuführen. Bei einer Weigerung seinerseits hat die zuständige Aufsichtsbehörde entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.
Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung hat das Registergericht (§ 10) bei seiner Entscheidung ein Ermessen. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung und der gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft (§ 54) sowie der damit zum Ausdruck kommenden Verpflichtung, sich einer gesetzlichen Prüfung durch den Verband zu unterwerfen, reduziert sich das Ermessen des Gerichts auf Null (Holthaus/Lehnhoff in L/W, § 64 RN 1, Müller, § 64 RN 3). Eine Ausnahme von dem vorgenannten Grundsatz kommt nur in den Fällen infrage, in denen eine Genossenschaft aus einem Prüfungsverband ausgeschieden ist und in Anwendung des § 54 a die Genossenschaft durch Fristsetzung verpflichtet wurde, Mitglied eines anderen Prüfungsverbandes zu werden (Beuthien, § 64 b RN 1). Nach allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen soll die Genossenschaft Gelegenheit haben, in diesen Fällen selbst aktiv zu werden, ohne dass durch das Gericht die Verpflichtung ausgesprochen wird. Bei fruchtlosem Ablauf der Frist kommt die gerichtliche Bestellung zum Zuge (Holthaus/Lehnhoff in L/W, § 64 b RN 2).
Rz. 3
Vor der Bestellung des Verbandes sind alle Beteiligten zu hören, d. h. bisheriger und neuer Prüfungsverband sowie die betroffene Mitgliedsgenossenschaft.
Bei der Bestellung hat das Gericht die fachlichen und örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Das bedeutet, dass zum einen die fachliche Einigung des Prüfungsverbandes, z. B. Prüfungsverband für Wohnungsgenossenschaften, gegeben ist und darüber hinaus die Genossenschaft ihrerseits in der Lage ist, die durch die Bestellung des Verbandes anfallenden Kosten, insbesondere Prüfungsgebühren, zu tragen.
Eine ausdrückliche Zustimmung des gerichtlich bestellten Prüfungsverbandes ist allerdings ebenso wenig erforderlich, wie die der betroffenen Genossenschaft (Beuthien, § 64 b RN 1). Eine Bestellung gegen den Willen der Beteiligten verspricht jedoch nicht die gewünschte Aussicht auf Erfolg.
Rz. 4
Die Regelungen des § 64 b gelten nur für eingetragene Genossenschaften und nicht für sogenannte Vorgenossenschaften. Denn für diese besteht noch keine im Sinne einer Pflichtprüfung ausgeprägte Pflichtmitgliedschaft. Im Gründungsstadium ist durch die Gründungsprüfung und die gutachterliche Stellungnahme des Prüfungsverbandes dem Schutz der Beteiligten hinreichend Rechnung getragen.
2 Folgen
Rz. 5
Mit der Bestellung des Prüfungsverbandes durch das Gericht hat der Prüfungsverband sämtliche gesetzlichen Aufgaben wahrzunehmen, die ihm das Gesetz zuweist. Allerdings wird durch die Bestellung die betroffene Genossenschaft nicht Mitglied des gerichtlich bestellten Verbandes. Vereinsrechtliche Beziehungen können durch die gerichtliche Bestellung nicht entstehen.
Für seine Leistungen als gesetzlicher Prüfungsverband hat dieser Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Aus Gründen der Klarheit bietet es sich an, für die einzelnen zu treffenden Maßnahmen oder Prüfungen Vereinbarungen mit der Genossenschaft zu treffen. Anderenfalls kommen Vergütungsansprüche unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht. Ein Vergütungsanspruch gegen den Fiskus steht dem Prüfungsverband dagegen nicht zu (Müller, § 64 b RN 8; Holthaus/Lehnhoff in L/W, § 64 b RN 2). Im Übrigen gelten für den gerichtlich bestellten Prüfungsverband die Rechte und Pflichten gemäß § 61, 62.
Rz. 6
Gegen die Bestellung steht den Beteiligten im Falle einer Entscheidung durch den Rechtspfleger (§ 3 Nr. 2 d Rechtspflegergesetz) die Erinnerung, bei richterlicher Entscheidung die Beschwerde gemäß § 19 FGG zu.