1 Zweck der Regelung

 

Rz. 1

Die Bestimmung betrifft die finanzielle Auseinandersetzung mit der Genossenschaft bei Ausscheiden eines Mitglieds infolge Kündigung (§§ 65, 66, 67, 67 a), Ausschluss (§ 68), Tod (§ 77) und Auflösung einer juristischen Person oder Personengesellschaft (§ 77 a) sowie bei der Herabsetzung der Geschäftsanteile (§ 67 b). Sie ist infolge der formellen Satzungsstrenge (§ 18 S. 2) grundsätzlich zwingend und nur im Rahmen der Regelungen von Abs. 3 und 4 einer abweichenden Gestaltung durch die Satzung zugänglich. Es ist folglich nicht möglich, die Auseinandersetzung in der Satzung auszuschließen. Eine Auseinandersetzung unterbleibt nur bei Übertragung des Geschäftsguthabens auf Dritte gem. § 76 sowie bei Fortsetzung der Mitgliedschaft durch den Erben (§ 77 Abs. 2) sowie hinsichtlich der übertragenden Genossenschaft bei der Gesamtrechtsnachfolge im Wege der Verschmelzung (§ 20 UmwG).

 

Rz. 2

Im Rahmen der Genossenschaftsnovelle 2006 wurde die Regelung redaktionell und sprachlich überarbeitet. Zugleich wurde im Rahmen des neu eingefügten Abs. 4 die Möglichkeit eröffnet, durch Satzungsregelung die Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens eines ausgeschiedenen Mitglieds abweichend von § 73 Abs. 2 S. 2 zu regeln; entsprechendes gilt für die Kündigung eines Geschäftsanteils nach § 67 b. Darüber hinaus ist mit der Einführung eines Mindestkapitals gem. § 8 a notwendig eine Einschränkung für die Auskehrung des Auseinandersetzungsguthabens verbunden (Abs. 2 S. 2).

2 Der Abfindungsanspruch

2.1 Das Auseinandersetzungsguthaben

2.1.1 Die Entstehung des Anspruchs

 

Rz. 3

Der Anspruch des Mitglieds auf das Auseinandersetzungsguthaben entsteht nach zutreffender Ansicht bereits mit dem Beitritt zur Genossenschaft und der Einzahlung des Geschäftsguthabens als durch das künftige Ausscheiden aufschiebend bedingtes (§ 158 Abs. 1 BGB) Recht (OLG Schleswig WM 2002, S. 2301; OLG Braunschweig WM 1997, S. 487; LG Düsseldorf NJW 1968, S. 753; Bauer § 73 RN 7; Beuthien GenG § 73 RN 6; Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 73 RN 2; Müller § 73 RN 12; Pöhlmann/Fandrich/Bloehs § 73 RN 9; a. A.: BGH ZIP 2004, S. 1608 ff., 1609; siehe aber: BGHZ 58, S. 327 ff., 330). Als solches kann er von seiner Entstehung an Gegenstand des Rechtsverkehrs sein und folglich abgetreten (§§ 398 ff. BGB), gepfändet und verpfändet (§§ 1273 ff. BGB) werden, sofern die Abtretung und Verpfändung nicht durch die Satzung oder eine vertragliche Vereinbarung mit der Genossenschaft (§§ 399, 1274 Abs. 2 BGB) ausgeschlossen sind (vgl. § 12 Abs. 3 MusterS). Die Genossenschaft ist zudem befugt, gegenüber den Abfindungsansprüchen mit solchen Forderungen aufzurechnen, die vor dem Ausscheiden des Mitglieds begründet wurden (LG Aachen ZfG 1972, S. 367; Bauer § 73 RN 7; Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 73 RN 8).

2.1.2 Die Höhe des Anspruchs

 

Rz. 4

Bei dem Auseinandersetzungsguthaben handelt es sich dem Inhalt nach um das Geschäftsguthaben (vgl. § 12 Abs. 2 S. 2 GdW-MusterS) des Mitglieds zum Ende des Geschäftsjahres, in welchem das Ausscheiden wirksam wird, vermindert um die periodenbezogenen Verlustabschreibungen und vermehrt um die periodenbezogenen Gewinnzuschreibungen und eventuelle Rückvergütungen. Maßgeblich ist insofern der bilanzielle Buchwert nach Maßgabe der handelsrechtlichen Vorschriften (vgl. unten 2.1.3). Dabei hat das Mitglied keinen Anspruch darauf, dass der erzielte Jahresüberschuss im Wege der Gewinnausschüttung unter den Mitgliedern verteilt wird. Die Generalversammlung bleibt vielmehr befugt, nach Maßgabe der gesetzlichen und satzungsmäßigen Bestimmungen (§ 7 Nr. 2), den Jahresüberschuss in gesetzlich oder andere Ergebnisrücklagen einzustellen (vgl. §§ 48, 49, 50 RN 12). Ebenso wenig kann das Mitglied verlangen, dass zur Deckung eines Jahresfehlbetrags zunächst die Rücklagen herangezogen werden. Es hat es vielmehr hinzunehmen, wenn in Übereinstimmung mit Gesetz und Satzung die eingetretenen Verluste von den Geschäftsguthaben abgeschrieben werden (Müller § 73 RN 2).

 

Rz. 5

Wird der Verlust nicht mit den Rücklagen oder Geschäftsguthaben verrechnet, sondern nach Maßgabe der Satzung in einen Verlustvortrag eingestellt, so kann die Satzung festsetzen, dass im Rahmen der Auseinandersetzung Verlustvorträge anteilig zu berücksichtigen sind und folglich das Auseinandersetzungsguthaben der ausscheidenden Mitglieder entsprechend mindern (BGH ZIP 2003, S. 1498 ff., 1499 f.). Hierin liegt weder ein Verstoß gegen das genossenschaftliche Gleichbehandlungsgebot, noch eine unbillige Beeinträchtigung des Kündigungsrechts gem. § 65. Ausscheidende Mitglieder stehen vielmehr im Ergebnis nicht schlechter da, als die in der Genossenschaft verbleibenden. Auch deren Geschäftsguthaben sind mit dem Verlustvortrag belastet (BGH a. a. O.; Bauer § 73 RN 6; Lang/Weidmüller/Holthaus/Lehnhoff § 73 RN 15 lit.d). Dieser wirkt sich zudem auf das Bilanzergebnis im Sinne eines etwa verbleibenden Bilanzverlustes aus, mit der Maßgabe, dass vor seiner Deckung keine Gewinne (aus Jahresüberschüssen) an die Mitglieder ausgeschüttet werden können (BGH: a. a. O., S. 1499). Im Übrigen folgt nach der im Rahmen der Genossenschaftsnovelle...

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