1 Allgemeines
Rz. 1
§ 81 GenG enthält Bestimmungen zur Auflösung der eG durch die oberste Landesaufsichtsbehörde (vgl. § 64 GenG) wegen gesetzwidrigen Verhaltens bzw. der Verfolgung förderzweckwidriger Geschäfte. Wegen der weitreichenden Sanktionen ist § 81 GenG eng auszulegen und zurückhaltend zu handhaben (BT-Drucks. 16/1025, S. 93).
2 Gemeinwohlgefährdung aufgrund gesetzwidrigen Verhaltens
Rz. 2
Das gesetzwidrige Verhalten muss von den Organwaltern der eG ausgehen. Hinzutreten muss, dass weder die Generalversammlung noch der Aufsichtsrat für eine Abberufung der pflichtwidrig handelnden Organwalter Sorge tragen. Gesetzwidriges Verhalten i. S. d. § 81 Abs. 1 GenG meint jegliche Verstöße gegen Rechtsnormen. Neben strafbewehrten Bestimmungen kann es sich auch um Normen des öffentlichen Rechts oder des Privatrechts handeln. Eine Verletzung statutarischer Bestimmungen ist allerdings nicht ausreichend (Beuthien § 81 RN 2). Darüber hinaus muss das gesetzwidrige Verhalten eine Gefährdung des Gemeinwohls zur Folge haben (kritisch Kober, ZfgG 2012, 201). Dies ist nur dann anzunehmen, wenn eine nachhaltige Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen oder jedenfalls der Interessen breiter Verkehrskreise zu befürchten ist (Beuthien § 81 RN 2). Fortlaufende nachhaltige Steuerhinterziehung, die fortgesetzte Belieferung mit gesundheitsschädlichen Nahrungsmitteln, nachhaltige Verstöße gegen außenwirtschaftliche Normen als auch die Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB sind sämtlich geeignet, eine Gefährdung des Gemeinwohls anzunehmen. Die Gefährdung muss zur Zeit der Auflösung noch andauern. Im Übrigen ist die Auflösung der eG zum Schutz der Öffentlichkeit nur zulässig, soweit der entscheidenden Aufsichtsbehörde (vgl. RN 4) kein milderes Mittel zu Gebote steht (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz).
3 Verfolgung genossenschaftsfremder Zwecke
Rz. 3
Die eG kann überdies auf Antrag der Aufsichtsbehörde aufgelöst werden, wenn nichtförderwirtschaftliche – d. h. förderzweckwidrige – Geschäfte verfolgt werden. Sanktioniert wird mit § 81 Abs. 1 GenG ein Missbrauch der zweckgebundenen genossenschaftlichen Rechtsform. Der Betrieb einer Dividendengenossenschaft, deren Zweck die Erbringung und Ausschüttung einer möglichst hohen Kapitalrendite an ihre Mitglieder ist, stellt einen Verstoß gegen § 1 Abs. 1 GenG dar und rechtfertigt in der Folge eine Auflösung nach § 81 Abs. 1 GenG. Die Verfolgung eines satzungsfremden Unternehmensgegenstands wird nicht von § 81 GenG erfasst.
4 Auflösungsverfahren
Rz. 4
Die Auflösung erfolgt seit der Novelle 2006 nicht mehr in einem Verwaltungsverfahren, sondern aufgrund eines gerichtlichen Verfahrens. Die bisherige verwaltungsbehördliche Zuständigkeit wurde dementsprechend durch die Zuständigkeit des Landgerichts ersetzt (BT-Drucks. 16/1025, S. 94). Nach § 81 Abs. 1 GenG ist nur die zuständige Aufsichtsbehörde, in deren Bezirk die Genossenschaft ihren Sitz hat, befugt, einen Antrag auf Auflösung der eG beim Landgericht zu stellen (Auflösungsklage i. S. der §§ 253 ff. ZPO). Ob die Aufsichtsbehörde von ihrem Antragsrecht Gebrauch macht, liegt in ihrem pflichtgemäßen Ermessen (Bauer § 81 RN 20).
Rz. 5
Nach § 81 Abs. 2 GenG wird die aufgelöste eG nach den §§ 83 ff. GenG liquidiert und das Vermögen unter den Mitgliedern verteilt (§§ 91, 92 GenG). Der Antrag auf Bestellung und Abberufung des Liquidators obliegt ebenfalls der zuständigen Aufsichtsbehörde. Gleiches gilt für die Beantragung einstweiliger Verfügungen im Auflösungsverfahren (§ 81 Abs. 3 GenG).
Rz. 6
Gerichtsentscheidungen im Rahmen der Auflösung einer Genossenschaft sind, sofern sie eintragungspflichtige Rechtsverhältnisse betreffen, dem zuständigen Gericht mitzuteilen und von diesem in das Genossenschaftsregister aufzunehmen (§ 81 Abs. 4 GenG).
Literaturtipps
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Becker, Zur Auflösung juristischer Personen wegen widerrechtlicher oder gemeinwohlgefährdender Zweckverfolgung nach schweizerischem und deutschem Recht, ZSchR 1988, S. 613 |
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Blomeyer, Der gesetzliche Förderungsauftrag der Genossenschaften im Wandel, ZfgG 30 (1980), S. 22 |
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Büchler, Eingetragene Genossenschaft und hoheitliche Aufsicht – Zur Funktion des § 81 GenG, Schriften zur Kooperationsforschung Bd. 22, Tübingen 1990 |
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Fischer, Auflösung eingetragener Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften bei Verfolgung anderer als geschäftlicher Zwecke, Dissertation Münster 1963 |
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Gaßner, Die Genossenschaft als Pacht- und Besitzunternehmen, RPfleger 1980, S. 409 |
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Hadding, Löschung oder Auflösung der Genossenschaft bei Wegfall des Förderungszweckes?, ZfgG 37 (1987), S. 105 |
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Kober, Sind Genossenschaften bei Förderzweckverstößen schlichtweg aufzulösen? ZfgG 62 (2012), S. 194 |
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Schnorr von Carolsfeld, Zu den Grundfragen des Wesens der eingetragenen Genossenschaft, ZfgG 31 (1982), S. 1. |