1 Zweck der Regelung
Rz. 1
Mit der Gesetzesnovelle 1973 wurde die Sanierung der eG im Liquidationsstadium neu gefasst. Da eine Erhöhung von Geschäftsanteilen oder Haftsumme ausgeschlossen wurde (§ 87 b), wurden die Zahlungspflichten in § 87 a neu geregelt, wobei zwei Fälle zu unterscheiden sind:
- Abs. 1: Zunächst sind alle fälligen/rückständigen Einzahlungen einzufordern und darüber hinaus kann die GV nicht fällige Einzahlungen auf nicht voll eingezahlte Geschäftsanteile beschließen.
- Abs. 2: Darüber hinaus kann die Mitgliederversammlung weitere Nachschüsse bis zur Höhe des Geschäftsanteils beschließen; die nachträgliche Höchstbelastung der Mitglieder ist auf den doppelten Betrag des Geschäftsguthabens begrenzt.
Rz. 2
Die Beschlüsse der Mitgliederversammlung stehen aber unter gesetzlichem Sanierungsvorbehalten: ein Nachschuss nach Abs. 1 ist nur zulässig, soweit dies zur Deckung eines Fehlbetrages erforderlich ist (Abs. 1 S. 1) und wenn die Überschuldung damit beseitigt wird (Abs. 4). Für Nachschüsse nach Abs. 2 gilt ausdrücklich der zweite Vorbehalt (Beseitigung der Überschuldung). U.E. muss aber der erste Vorbehalt (bis zur Höhe des Fehlbetrages) ebenfalls gelten: Es ergibt keinen Sinn, Mitglieder zu höheren Nachschüssen heranzuziehen, wenn diese später wieder an sie zu verteilen sind (ebenso Holthaus/Lehnhoff in Lang/Weidmüller § 87a RN 11). Es ist auch wenig plausibel, Einzahlungen auf Geschäftsanteile enger zu begrenzen als darüber hinausgehende Nachschüsse.
Rz. 3
Völlig unbefriedigend ist, dass im Gesetz nicht geregelt ist, wie die Bemessung des Fehlbetrages zu erfolgen hat (es gibt keine expliziten Regeln zur Liquidationsbilanzierung) und dass eine Vermeidung einer Insolvenz im Liquidationszeitraum nach dem Wortlaut nicht erreicht wird, auch wenn sie möglich wäre (s. unten RN 8 f.).
Rz. 4
Die Nachschusspflicht gemäß § 105 besteht unabhängig von Nachschüssen nach § 87 a GenG.
Wird in der Folge trotz der Zahlungen ein Insolvenzverfahren eröffnet, können die weiteren Zahlungen nach § 87 a nur nach Maßgabe von § 105 Abs. 4 S. 2 erstattet werden, also nach der Befriedigung der Gläubiger. Sind die Zahlungen zwar beschlossen, aber noch nicht geleistet worden, ist unklar, ob § 105 Abs. 5 anzuwenden ist. Nach § 105 Abs. 5 besteht eine Aufrechnungsmöglichkeit gegenüber der eG, wenn das Mitglied eine Gläubigerposition hat. Eine solche liegt aufgrund des nicht erfüllten Sanierungsvorbehaltes vor, so dass die Aufrechnungsmöglichkeit bejaht wird (vgl. Pöhlmann/Fandrich/Bloehs § 87 a RN 2). Diese Ansicht ist bedenklich, da die Gläubigerposition erst mit der Einzahlung entstehen würde und sie zudem säumige Zahler besserstellt als die pünktlichen.
Rz. 5
Insgesamt muss allerdings der Regelungsgehalt der gesamten Norm kritisch gesehen werden. Durch die zusätzlichen Zahlungen soll die insolvenzrechtliche Überschuldung abgewendet werden, um eine geordnete Liquidation zu gewährleisten. Dabei kann die offenbar zugrunde liegende Annahme, ein Liquidationsverfahren sei effizienter als ein Insolvenzverfahren kaum begründet werden, zumal auch das Insolvenzverfahren primär auf eine Sanierung abzielt. Viel gravierender ist jedoch, dass Insolvenzverfahren praktisch ausschließlich durch Zahlungsunfähigkeit ausgelöst werden. Für diesen praktisch viel relevanteren Fall, fehlt es jedoch an einer vergleichbaren Regelung. Hiergegen kann auch nicht eingewendet werden, dass viele zahlungsunfähige Unternehmen bereits lange insolvenzrechtlich überschuldet sind, dies aber mangels Erstellung eines entsprechenden Status gar nicht wissen. Entscheidend ist, dass die Insolvenz dann auch nicht durch die Zahlungen in Folge der Überschuldung vermieden werden kann.
2 Einzahlungen auf den Geschäftsanteil (Abs. 1)
Rz. 6
Zunächst haben die Liquidatoren die fälligen, noch nicht geleisteten Einzahlungen auf die Geschäftsanteile einzufordern. Diese Zahlungspflichten stehen unter keinem Sanierungsvorbehalt.
Nicht fällige ausstehende Einzahlungen auf den Geschäftsanteil können durch Generalversammlungsbeschluss (zu den Beschlussanforderungen vgl. RN 12) eingefordert werden, auch wenn die Satzung etwas anderes vorsieht (Abs. 1 S. 2). Durch die Satzung kann die Nachschusspflicht nach Abs. 1 weder eingeschränkt noch erweitert werden (vgl. Müller § 87 a RN 12).
Der Fehlbetrag, der zur Sanierung aufzubringen ist, ist auf alle Geschäftsanteile so zu verteilen, dass auf jeden Anteil der gleiche Betrag eingezahlt ist. Soweit auf Anteile bisher unterschiedliche Einzahlungen geleistet wurden, sind auch die jeweiligen Nachschussbeträge verschieden. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Pflichtanteile oder freiwillig übernommene Anteile handelt.
Rz. 7
Da § 87 a Abs. 1 auf bestehende Geschäftsanteile abstellt, werden pflichtwidrig nicht übernommene Anteile von der Nachschusspflicht nicht erfasst. Diese ›Belohnung der säumigen Mitglieder‹ (vgl. Holthaus/Lehnhoff in Lang/Weidmüller § 87a RN 8) ist rechtspolitisch völlig verfehlt.
In § 87 a Abs. 1 S. 1 wird die Nachschusspflicht davon abhängig gemacht, dass auf der Basis der Liquidationseröffnung...