1 Zweck der Regelung
Rz. 1
Die hier früher geregelte Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrags ergibt sich jetzt ausschließlich aus § 15 a InsO. Es geht hier nur noch um die Pflicht des Vorstands (oder des Liquidators) der eG, bei Zahlungsunfähigkeit oder – unter Beachtung der Einschränkungen des § 98 – bei Überschuldung der eG das Zahlungsverbot zu beachten. Die Vorschrift entspricht § 92 Abs. 2 AktG sowie § 64 GmbHG.
2 Die Insolvenzgründe im Überblick
Rz. 2
Die Antragspflicht nach § 15 a InsO und das Zahlungsverbot des § 99 auslösende Umstände sind zum einen die Zahlungsunfähigkeit der eG (§ 17 InsO), und zwar unabhängig von der Ausgestaltung der Nachschusspflicht, zum anderen unter diesbezüglich einschränkenden Voraussetzungen des § 98 die Überschuldung der eG (§ 19 InsO). Der in § 18 InsO geregelte Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit begründet weder eine Antragspflicht noch ein Zahlungsverbot. Er gibt dem Schuldner lediglich das Recht, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen, um bereits vor Eintritt der Insolvenz (durch Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) verfahrensrechtliche Maßnahmen gegen die abzusehende Gläubigergefährdung zu veranlassen. Dieser Eröffnungsgrund wird hier darum nicht näher behandelt.
3 Die Zahlungsunfähigkeit der eG als Insolvenzgrund
Rz. 3
§ 17 Abs. 1 InsO sagt: ›Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit‹, und zwar einerlei, ob zugleich eine Überschuldung vorliegt oder nicht. Im Regelfall ist ein zahlungsunfähiges Unternehmen aber bereits überschuldet. Das liegt zumeist an der Aufnahme von Krediten. Sie geben dem Schuldner zwar Liquidität, erhöhen aber zugleich seine Verbindlichkeiten.
Rz. 4
Aufgrund des durch das FMStG geänderten Überschuldungsbegriffs (ausführlich dazu unter 5) kann die Aufnahme eines Kredits allerdings durchaus ein geeignetes Mittel sein, den Eintritt der Insolvenz wegen Überschuldung zu verhindern. § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO in der Fassung des FMStG lässt nämlich eine rechnerische Überschuldung zu, solange die Zahlungsfähigkeit des Unternehmensträgers mittelfristig überwiegend wahrscheinlich ist. Gelingt ihm die Aufnahme von Krediten, kann der dadurch eintretende Liquiditätszuwachs trotz zugleich erhöhter Verbindlichkeiten eine positive Fortführungsprognose ermöglichen oder unterstützen und so die rechtliche Überschuldung vermeiden helfen. Eine solche tritt erst in dem Augenblick ein, in dem sich die günstige Prognose wider Erwarten als falsch erweist, weil die Zins- und Tilgungsleistengen nun doch nicht vertragsgemäß erbracht werden können. Im Zeitpunkt des Eintritts seiner Zahlungsunfähigkeit ist der Unternehmensträger dann zugleich auch rechnerisch überschuldet, weil die rechnerische Überschuldung nicht mehr durch eine positive Fortführungsprognose ausgeglichen werden kann.
Rz. 5
§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO definiert: ›Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen.‹ Diese Begriffsbestimmung stellt ausschließlich auf objektive Merkmale ab. Zahlungsunfähigkeit tritt mithin unabhängig davon ein, ob der Schuldner sie tatsächlich erkennt und ohne Rücksicht auf sein Verschulden.
3.1 Zahlungspflichten
Rz. 6
Zahlungspflichten der eG sind all ihre Geldschulden, deretwegen der Gläubiger, wenn er einen entsprechenden Vollstreckungstitel besitzt, die Zwangsvollstreckung in ihr Vermögen nach Maßgabe der §§ 803 bis 882 ZPO betreiben kann. Schulden anderer Art, z. B. auf Erfüllung von Warenlieferungen, Werk- oder Dienstleistungen kommen hier erst in Betracht, wenn sie z. B. wegen Nichterfüllung zu einer Verpflichtung der eG auf Zahlung von Schadensersatz geworden sind (vgl. Jaeger/Henkel, § 30 RN 25).
3.2 Nichterfüllung trotz Fälligkeit und gläubigerseitiger Einforderung
Rz. 7
Im Gegensatz zur drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) tritt Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 17 InsO nur bei Nichterfüllung fälliger Zahlungspflichten ein. Dies setzt zweierlei voraus: Die Fälligkeit des Zahlungsanspruchs des Gläubigers bzw. der Zahlungsverpflichtung des Schuldners i. S. v. § 271 BGB und die Tatsache, dass der Gläubiger die Zahlung vom Schuldner eingefordert hat.
3.2.1 Fälligkeit
Rz. 8
Nach § 271 BGB tritt die Fälligkeit mit dem Zeitpunkt ein, ab welchem der Gläubiger die Zahlung von Rechts wegen verlangen darf, der Schuldner also die Zahlung von Rechts wegen ohne Wenn und Aber leisten muss. Das ist in dem Augenblick der Fall, in dem die anspruchsbegründenden Voraussetzungen erfüllt sind, keine rechtshindernden Einwendungen (z. B. Formfehler nach §§ 125, 311 b, 766, 780, 781 BGB, Gesetzes- oder Sittenverstoß nach §§ 134, 138 BGB) dem Anspruch entgegenstehen und keine rechtsvernichtenden Einwendungen (z. B. in Gestalt erklärter Aufrechnung, erklärten Erlasses, erklärten Rücktritts vom Vertrag nach § 323 BGB oder einer erklärten Anfechtung nach §§ 119, 123 BGB) vorliegen. Das bloße Bestehen von Einreden des Schuldners gegen den Anspruch hindert dessen Fälligkeit nicht. Der Schuldner muss die Einrede vielmehr ausdrücklich erheben, z. B. die Verjährung oder ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen. Eine spätere Leistungszeit kann ausnahmsweise durch gesetzliche Sonderregeln (z. B. §§ 488 Abs. 3, 579 A...