Leitsatz

Das Verschulden des Steuerpflichtigen kann auch dann nach §173 Abs.1 Nr.2 Satz2 AO unbeachtlich sein, wenn nachträglich bekannt werdende Tatsachen oder Beweismittel, die zu einer höheren Steuer führen, für sich genommen die Voraussetzungen einer Änderung nach §173 Abs.1 Nr.1 AO erfüllen, aber in einem Bescheid berücksichtigt werden, der auf einer anderen Änderungsvorschrift beruht.

 

Sachverhalt

A reichte 1993 die ESt-Erklärung 1992 und die VSt-Erklärung auf den 1.1.1993 beim Finanzamt ein. Sie gab hierin ihre Beteiligung an einer KG an, nicht jedoch die daraus erzielten Einkünfte. Bei der Vermögensteuer bat sie, Steuerschulden von Amts wegen einzutragen. Das Finanzamt berücksichtigte insoweit nur 1636DM. Der VSt-Bescheid wurde bestandskräftig. Auf der Grundlage eines späteren Gewinnfeststellungsbescheids änderte das Finanzamt den ESt-Bescheid 1992 und setzte eine Nachzahlung von 214528DM fest. A begehrt den Ansatz dieses Betrags bei der Vermögensteuer.

 

Entscheidung

Die Einkommensteuerschulden 1992 konnten nachträglich noch berücksichtigt werden, weil die Voraussetzungen des §173 Abs.1 Nr.2 AO vorgelegen haben. Danach ist ein Steuerbescheid zugunsten des Steuerpflichtigen zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen, und den Steuerpflichtigen hieran kein grobes Verschulden trifft. Die Höhe der für den Veranlagungszeitraum 1992 entstandenen Einkommensteuer ist aus vermögensteuerrechtlicher Sicht eine Tatsache i.S. des §173 Abs.1 Nr.2 AO. Denn Steuerschulden sind nach Maßgabe des zum 1.1.1993 geltenden §118 Abs.1 Nr.1 Sätze1 und 2 BewG bei der Ermittlung des Gesamtvermögens zu berücksichtigen und demgemäss Merkmal oder Teilstück der Bemessungsgrundlage der Vermögensteuer.

Ein Verschulden der A am nachträglichen Bekanntwerden der höheren Steuerschulden ist unbeachtlich, weil zwischen den von A erzielten Gewinnanteilen aus der KG, die die Einkommensteuer erhöht haben, und den erhöhten Steuerschulden, die die ursprünglich festgesetzte Vermögensteuer vermindern, ein Zusammenhang i.S. von §173 Abs.1 Nr.2 Satz2 AO besteht. Ohne Bedeutung ist der Umstand, dass die Änderung des ESt-Bescheids tatsächlich nicht auf §173 Abs.1 Nr.1 AO, sondern auf §175 Abs.1 Satz1 Nr.1 AO beruhte, denn es reicht aus, dass die Tatsachen i.S. des §173 Abs.1 Nr.1 AO zu einer Erhöhung der Einkommensteuer nach dieser Vorschrift führen würden, gäbe es die spezielle Änderungsvorschrift des §175 Abs.1 Satz1 Nr.1 AO nicht.

 

Praxishinweis

Die Entscheidung hat erhebliche Bedeutung für die Erbschaftsteuer, weil sich auch hier vergleichbare Situationen ergeben können. Zu beachten ist insbesondere, dass §173 AO unter engen Voraussetzungen zwar die Bestandskraft durchbrechen kann, jedoch dann nicht weiterhilft, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Steuerberatern kann deshalb in Fällen, in denen die Einkommensteuer des Erblassers für zurückliegende Zeiträume noch unklar ist, nur dringend empfohlen werden, beim Finanzamt darauf hinzuwirken, dass der ErbSt-Bescheid nach §165 AO vorläufig ergeht.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 13.01.2005, II R 48/02BFH-Urteil vom 13.1.2005, II R 48/02

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