Leitsatz
Die Höhe von vorab entstandenen Erwerbsaufwendungen wegen einer über einen längeren Zeitraumauf einen Abschluss zielenden erstmaligen, anderen oder qualifizierteren Berufsausbildung ist unabhängig davon zu ermitteln, ob daneben einer Erwerbstätigkeit nachgegangen wird.
Sachverhalt
Ein Sparkassen-Betriebswirt war nach seiner Ausbildung Mitte 1995 zunächst als Kreditsachbearbeiter und im Streitjahr 1997 als Teamleiter in der Kreditabteilung einer Bank beschäftigt. Für ein Anfang 1996 aufgenommenes Studium bei der Akademikergesellschaft für Erwachsenenfortbildung (AKAD), mit dem Ziel es voraussichtlich 1999 als "Diplom-Betriebswirt (FH)" abzuschließen, machte er Aufwendungen für Studiengebühren (5 880 DM), Material (200 DM) und Fahrtkosten zu 14 Auswärtsterminen (Seminare, Vorprüfungen) als Werbungskosten geltend, während das Finanzamt hierfür lediglich 1 800 DM als Sonderausgaben berücksichtigte. Außerdem wurden seine Einkünfte in der Bank (44 974 DM bei 6 463 DM Werbungskosten) erfasst. Die wegen der Studienkosten erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Auf die Revision hob der BFH das Urteil des FG auf und verwies die Sache zurück.
Entscheidung
Der BFH stellte vorab fest, dass die Studienkosten nach der geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung dem Grunde nach Werbungskosten sind, da auf der Hand liegt, dass das Fachhochschulstudium aufgenommen wurde, um den bereits bestehenden beruflichen Anforderungen besser zu entsprechen bzw. weiter voranzukommen. Die eigentliche Bedeutung der Entscheidung liegt in der Ermittlung der Höhe der abziehbaren Beträge, insbesondere der Fahrtkosten, weil bei anderen Aufwendungen, z.B. Studiengebühren oder Arbeitsmitteln, kaum Probleme auftreten dürften.
Zu Fahrtkosten (und Verpflegungsmehraufwendungen) hatte der BFH früher entschieden, eine Dienstreise könne jemand nur im Rahmen bezahlter Arbeit machen, weil er nur dann eine regelmäßige Arbeitsstätte habe und dementsprechend auch von einer solchen vorübergehend abwesend sein könne. Dem folgt der BFH jetzt nicht mehr: Wenn das Studiumals solches zu Erwerbsaufwendungen führen kann, ist es folgerichtig, das Studieren als "Arbeit" anzusehen, so wie in diesem Zusammenhang zwanglos von "Arbeitszimmer" oder "Arbeitsmittel" die Rede sein kann, mit der Folge, dass an das Studium auch die Rechtsfolgen einer "regelmäßigen Arbeitsstätte" anknüpfen können. Diese gesonderte Betrachtung des Ausbildungsgangs ist auch deswegen gerechtfertigt, weil bei einem solchen Erwerbsaufwendungen auch dann vorliegen können, wenn er nicht berufsbegleitend absolviert wird. Im Übrigen würden andernfalls unterschiedliche Beträge berücksichtigt, je nachdem ob die Ausbildung zufälligerweise mit Nebentätigkeiten, z.B. als Kellner oder Taxifahrer, begleitet würde.
Ob und wo sich bei einem zu Erwerbszwecken aufgenommenen Studium eine regelmäßige Arbeitsstätte befindet, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Bei einem Fernstudiumspricht der erste Anschein für eine regelmäßige Arbeitsstätte zu Hause und bei einem herkömmlichen Studium an der Universität. Es sind aber auch Studiengänge an vielen unterschiedlichen Orten – also an ständig wechselnden Einsatzstellen – denkbar. Dementsprechend wird im Einzelfall festzustellen sein, wo sich eine regelmäßige Arbeitsstätte befindet. Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte fallen dann unter § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG, während Fahrten zu anderen Orten dann Dienstreisen sein können.
Praxishinweis
Die geschilderte gesonderte Betrachtung gilt nur für in sich geschlossene Qualifizierungsmaßnahmen über einen längeren Zeitraum. Für einzelne Fortbildungsmaßnahmen im Rahmen eines bestehenden Dienstverhältnisses bleibt es bei der bisherigen Dienstreisebetrachtung. Wird das Studium gesondert beurteilt, erfolgt die Ermittlung der Einkünfte bei einer berufsbegleitenden Tätigkeit jeweils unabhängig davon, ähnlich wie das bei zwei nebeneinander verfolgten Beschäftigungsverhältnissen geschieht. Deswegen kann der Arbeitnehmerpauschbetrag auch nur einmal zum Zuge kommen, auf den vorab entstandenen Werbungskosten anzurechnen sind. Allerdings können vorab entstandene Betriebsausgaben entstehen, wenn die Qualifizierungsmaßnahme später in selbständiger Arbeit verwertet werden soll. Dann bliebe bei einer begleitenden Nebentätigkeit der Arbeitnehmerpauschbetrag ungekürzt erhalten.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 29.04.2003, VI R 86/99