Dr. Alexander Becker, Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Eine (Wieder-)Bestellung als Steuerberater ist zu versagen, solange der Bewerber eine Tätigkeit ausübt, die mit dem Beruf des Steuerberaters unvereinbar ist. Das gilt nicht für Angestellte, wenn sie im Rahmen des Angestelltenverhältnisses Vorbehaltsaufgaben nach § 33 StBerG wahrnehmen (sog. Syndikus-Steuerberater).
Sachverhalt
Ein ehemaliger Steuerberater, der inzwischen steuerberatende Tätigkeiten für ein Unternehmen im Rahmen einer Angestelltentätigkeit wahrnahm, beantragte seine Wiederbestellung als Steuerberater. Die Steuerberaterkammer lehnte die Wiederbestellung mit der Begründung ab, dass der Bewerber durch seine Vollzeitbeschäftigung als Angestellter in seiner ihm als selbstständiger Steuerberater obliegenden Pflicht zur unabhängigen Berufsausübung beeinträchtigt werde. Er könne den Steuerberaterberuf neben seiner angestellten Tätigkeit nicht in nennenswertem Umfang, sondern nur als "Feierabend-Steuerberater" ausüben. Auftretende Kollisionen zwischen seinem Hauptberuf als Angestellter und seiner Steuerberatertätigkeit könne er nicht eigenverantwortlich regeln. Dies gelte unabhängig davon, dass der Arbeitgeber ihm gestattet habe, seine Dienstzeiten innerhalb einer Flexibilisierungs-Bandbreite einzuteilen und geleistete Überstunden als Freizeitausgleich aufzubauen.
Der BFH hat dem Bewerber Recht gegeben und die Steuerberaterkammer verpflichtet, ihn als Steuerberater wiederzubestellen. Eine Tätigkeit als selbstständiger Steuerberater in nennenswertem Umfang kann nicht gefordert werden; vielmehr ist auch eine "Feierabend-Steuerberatertätigkeit" ausreichend.
Ein Angestellter ist typischerweise an feste Arbeitszeiten gebunden und schuldet seinem Arbeitgeber auch den Großteil seiner Arbeitskraft. Jegliche weitere Tätigkeit kann der Syndikus-Steuerberater daher nur außerhalb dieser Arbeitszeiten ausüben, sodass er zwangsläufig nicht in gleichem Umfang selbstständig als Steuerberater tätig sein kann wie ein hauptberuflicher Steuerberater. Er kann aber, ebenso wie der hauptberufliche Steuerberater, der an Mindestarbeitszeiten nicht gebunden ist, sondern den Umfang seiner Tätigkeit frei bestimmen darf, den Umfang seiner Syndikus-Steuerberatertätigkeit der ihm für den Nebenberuf zur Verfügung stehenden Zeit anpassen.
Hinweis
Der Gesetzgeber hat die Angestelltentätigkeit des Syndikus-Steuerberaters in 2008 eingeführt. Er hat dabei keine Vorgaben zum Umfang der Tätigkeit gemacht, weshalb der Syndikus-Steuerberater sowohl haupt- als auch nebenberuflich tätig werden kann. Deshalb ist eine sich aus der Angestelltentätigkeit ergebende zeitliche Beschränkung der selbstständigen Steuerberatertätigkeit für sich allein nicht geeignet, die Pflicht des Steuerberaters zur unabhängigen und eigenverantwortlichen Berufsausübung zu beeinträchtigen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 9.8.2011, VII R 2/11.