Leitsatz
Eine nach Eintritt der formellen Bestandskraft des Schenkungsteuerbescheids abgegebene Erklärung des Schenkers, den Freibetrag für die Übertragung von Betriebsvermögen nach § 13 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 ErbStG (§ 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ErbStG 1996) in Anspruch zu nehmen, ist als rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO anzusehen, solange es hinsichtlich der Wertansätze des übertragenen Betriebsvermögens noch an einer endgültigen Schenkungsteuerfestsetzung fehlt (anders R 58 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2003).
Sachverhalt
O schenkte seinem Neffen N u.a. ein Drittel eines Kommanditanteils sowie ein Drittel seines Anteils an einer Grundstücks-GbR. Das Finanzamt setzte die Schenkungssteuer gegen N bestandskräftig fest. Der Bescheid erging vorläufig bezüglich der noch nicht endgültig festgestellten Einheitswerte des Betriebsvermögens der KG und der GbR. Nach Feststellung dieser Werte beantragte N die Änderung des Schenkungsteuerbescheids und die Berücksichtigung des vollen Betriebsvermögensfreibetrags. Hierzu verwies er auf eine schriftliche Inanspruchnahmeerklärung des O. Das Finanzamt erhöhte die Steuer wegen der geänderten Wertansätze, lehnte aber die Gewährung des Freibetrags ab, weil der Antrag erst nach Eintritt der Bestandskraft gestellt worden sei und der Vorläufigkeitsvermerk diesen Punkt nicht umfasse.
Entscheidung
Das Finanzamt war unstreitig berechtigt, den bestandskräftigen Bescheid wegen der geänderten Wertansätze nach § 165 Abs. 2 AO zu ändern. Denn wegen dieser Unsicherheit war der Bescheid vorläufig ergangen. Das Finanzamt musste hierbei jedoch nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO auch den Betriebsvermögensfreibetrag berücksichtigen, weil – unter den besonderen Gegebenheiten des Streitfalls – die erst nach Eintritt der formellen Bestandskraft der ursprünglichen Steuerfestsetzung abgegebene Erklärung, den Freibetrag in Anspruch nehmen zu wollen, ein nachträglich eingetretenes Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung darstellt. Wegen der zunächst ungewissen Höhe des Werts des geschenkten Betriebsvermögens bestand ein späteres Anpassungsbedürfnis. Denn bis zur endgültigen Feststellung des Werts des übergegangenen Betriebsvermögens fehlte es dem Schenker O an einer hinreichend sicheren Grundlage für seine Entscheidung, den Freibetrag sofort oder erst bei einer späteren Schenkung in Anspruch zu nehmen.
Der Schenker hat indes nicht die Möglichkeit, das Finanzamt zu einem beliebig späteren Zeitpunkt zu einer Änderung der Steuerfestsetzung wegen einer nachträglich abgegebenen Inanspruchnahmeerklärung zu zwingen. Vielmehr setzt die Jahresfrist nach § 171 Abs. 8 Satz 1 AO die zeitliche Schranke. Für eine Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 2 AO ist kein Raum.
Praxishinweis
Kein Bedürfnis für eine nachträgliche Anpassung der Steuerfestsetzung wegen einer nachträglich abgegebenen Inanspruchnahmeerklärung des Schenkers besteht in den Fällen, in denen eine hinsichtlich der Wertansätze endgültige Steuerfestsetzung vorliegt und bestandskräftig geworden ist. Denn in diesen Fällen kann sich der Schenker sofort entscheiden, ob er den Freibetrag für seine Schenkung in Anspruch nehmen will. Dann stellt die nachträgliche Erklärung des Schenkers kein rückwirkendes Ereignis dar.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 10.11.2004, II R 24/03