Dipl.-Finanzwirt Arthur Röck
Leitsatz
Eine Lieferung gilt auch dann bei Beginn der Versendung in einem anderen Mitgliedstaat als dort ausgeführt, wenn die Person des inländischen Abnehmers dem mit der Versendung Beauftragten im Zeitpunkt der Warenübergabe nicht bekannt ist, aber mit hinreichender Sicherheit leicht und einwandfrei aus den Unterlagen abgeleitet werden kann (Änderung der Rechtsprechung). Dem steht nicht entgegen, dass die Ware von dem mit der Versendung Beauftragten zunächst in ein inländisches Lager gebracht und erst nach Eingang der Zahlung durch eine Freigabeerklärung des Lieferanten an den Erwerber herausgegeben wird.
Sachverhalt
Die in Großbritannien ansässige Steuerpflichtige lieferte Waren an den Abnehmer HS mit Sitz in Deutschland. Nach der in den Kaufverträgen enthaltenen "shipment on hold"-Klausel gelangte die von HS bestellte Ware durch einen von der Steuerpflichtigen beauftragten Spediteur von Großbritannien zunächst in ein"sicheres" Lager in Deutschland bei der D-GmbH, einer Schwestergesellschaft der Steuerpflichtigen. Dort konnte der Kunde seine Bestellung auf Vollständigkeit etc. kontrollieren. Die Waren wurde vom "Lagerhalter" D-GmbH erst herausgegeben, wenn der Kunde gezahlt hat. Das Finanzamt unterwarf die Lieferungen der deutschen Umsatzsteuer, da die Versendung an den Abnehmer HS erst im Inland begonnen habe.
Nach Auffassung des BFH befindet sich der Lieferort bereits in Großbritannien mit anschließender steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferung nach Deutschland. Nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG gilt die Lieferung im Fall der Versendung durch den Lieferer oder durch einen von diesem beauftragten Dritten dort als ausgeführt, wo die Versendung "an den Abnehmer" oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Dies gilt nur, wenn der Abnehmer bei Beginn der Versendung oder Beförderung feststeht (wie im Urteilsfall).
Sowohl bei der Beförderung durch den Lieferer selbst als auch bei der Versendung durch einen Dritten ist es dem Lieferer möglich, über den Gegenstand der Lieferung neu zu disponieren und den Gegenstand wie im Fall einer sog. Umkartierung an einen anderen Abnehmer zu liefern. Die bloße Möglichkeit zur Umkartierung an einen anderen Abnehmer steht aber der Lieferortbestimmung nach dem "Beginn der Beförderung bzw. Versendung" nicht entgegen. Daher gilt eine Lieferung auch bei einer Versendung dann am Ort der Übergabe an den Beauftragten als ausgeführt, wenn der Gegenstand erst nach Erteilung einer durch den Lieferer gesondert zu erklärenden Freigabe ("shipment on hold") an den Abnehmer übergeben werden darf.
Hinweis
Nicht mehr anwendbar ist daher die frühere BFH-Rechtsprechung, wonach eine Versendung an den Abnehmer nur vorliegt, wenn der Frachtführer verpflichtet ist, den Gegenstand der Lieferung an den Abnehmer auszuhändigen bzw. dass bei einer Versendung dem Beauftragten im Zeitpunkt der Übergabe des Gegenstands der Name des Abnehmers bekannt sein müsse (u.a. BFH, Urteil v. 24.2.1994, V R 35/91, BFH/NV 1995 S. 555).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 30.7.2008, XI R 67/07.