Leitsatz

Bestehen bei der innergemeinschaftlichen Lieferung hochwertiger Pkw mit Barkauf und Abholung durch Beauftragten auffällige Unterschiede zwischen der Unterschrift des Abholers unter der Empfangsbestätigung und der Unterschrift auf dem vorgelegten Personalausweis, ist der Lieferer zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers verpflichtet.

 

Sachverhalt

Der steuerpflichtige Kfz-Händler lieferte in 2003 – vermittelt durch die Firma S – einen Porsche 911 umsatzsteuerfrei an die in Italien ansässige "Abnehmerin" T. Der Pkw wurde bei der Steuerpflichtigen abgeholt und bar bezahlt. Die Empfangsbestätigung auf der Rechnung lautet "Fzg. wird gem. Kaufvertrag vom 21.01.2003 nach Italien ausgeführt" und ist mit dem Namen "B" des Abholers unterschrieben. Diese Unterschrift weicht von der Unterschrift auf der Personalausweiskopie des B ab. Laut einer Mitteilung der italienischen Finanzbehörden war die Abnehmerin T eine sog. Scheinunternehmerin. Im Gegensatz zum Finanzamt gewährte das Niedersächsische FG (Urteil v. 11.8.2011, 5 K 96/083) die Steuerfreiheit aufgrund des Vertrauensschutzes nach § 6a Abs. 4 UStG.

Der BFH hat das Urteil des Niedersächsischen FG aufgehoben. Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 UStG greift nicht, da wegen der Scheinunternehmerschaft der "Abnehmerin" T der Nachweis des wirklichen Abnehmers des Pkw fehlt. Zusätzlich muss das FG im 2. Rechtsgang folgendes prüfen:

  • Die Steuerbefreiung nach § 6a UStG gilt nicht, wenn der Lieferer die Differenzbesteuerung angewendet hat (§ 25a Abs. 7 Nr. 3 UStG). Hierfür könnte im Streitfall ein Vermerk in der Rechnung sprechen.
  • Bei Nichtanwendung der Differenzbesteuerung: Ob der zwingend anzugebende Bestimmungsort des Pkw angegeben wurde (§ 17a Abs. 2 Nr. 2, § 17c Abs. 2 Nr. 9 UStDV). Wenn nicht, greift die Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 UStG nicht.
  • Falls keine Differenzbesteuerung erfolgt ist und der Bestimmungsort des Pkw angegeben wurde: Ob die Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 UStG greift. Diese setzt voraus, dass der Lieferer die unrichtigen Angaben des Abnehmers auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Insoweit sind hohe Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Lieferers hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers zu stellen, wenn bei der innergemeinschaftlichen (Abhol-)Lieferung hochwertiger Pkw mit Barzahlung

    • auffällige sofort erkennbare Unterschiede zwischen der Unterschrift auf dem Pass des Abholers und der Verbringenserklärung vorliegen;
    • ein Vermittler zwischengeschaltet wurde und die vermeintliche "Abnehmerin" T faktisch – außer auf dem Papier – gar nicht in Erscheinung trat;
    • zwischen Lieferer und Abnehmer keine längere Geschäftsbeziehung bestand;
    • der Schriftverkehr nicht nachvollziehbar ist.
 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil v. 14.11.2012, XI R 17/12.

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