Leitsatz

Zahlt ein Arbeitgeber im Zeitpunkt der Entlassung eine Abfindung und in einem späteren Veranlagungszeitraum eine Jubiläumszuwendung, die dieser bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erhalten hätte, kann die Jubiläumszuwendung eine für die Tarifbegünstigung der Hauptentschädigung unschädliche Entschädigungszusatzleistung sein.

 

Sachverhalt

Der Kläger war seit 1969 bei der D-KG beschäftigt. Auf Veranlassung seines Arbeitgebers wurde das Anstellungsverhältnis zum 31.12.1993 beendet. Vereinbarungsgemäß erhielt der Kläger noch im Jahr 1993 eine Abfindung von 120000 DM sowie zum 1.11.1994 die bei 25-jähriger Betriebszugehörigkeit übliche Jubiläumszuwendung in Höhe eines Bruttogehalts. In der Einkommensteuererklärung 1993 gab er an, dass er aus der KG ausgeschieden sei und eine steuerpflichtige Entschädigung von 90000 DM erhalten habe; in der Erklärung für 1994 teilte er mit, dass er arbeitslos gewesen sei und erklärte das "Jubiläumsgeld" als Arbeitslohn für mehrere Jahre. Beide Steuererklärungen sowie die jeweiligen Lohnsteuerbescheinigungen wurden gleichzeitig beim Finanzamt eingereicht. Nach einer Lohnsteueraußenprüfung änderte das Finanzamt die bestandskräftige Veranlagung für 1993, in der es für die Entschädigung die Tarifbegünstigung des § 34 EStG gewährt hatte, nach § 173 AO. Wegen des 1994 gezahlten Jubiläumsgeldes fehle die notwendige Zusammenballung von Einkünften. Das FG gab der Klage statt. Das Finanzamt sei nach Treu und Glauben gehindert gewesen, den Bescheid 1993 zu ändern.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte das FG im Ergebnis. Für seine Entscheidung kam es aber nicht darauf an, ob die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO vorlagen. Nach Auffassung des BFH war nämlich die im Jahr 1993 gezahlte Abfindung trotz der im nächsten Jahr geleisteten Jubiläumszuwendung gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 34 Abs. 1, 2 Nr. 2 EStG tarifbegünstigt zu besteuern.

Dabei konnte der BFH wiederum offen lassen, ob der Kläger wegen seiner schon 24-jährigen Betriebszugehörigkeit bereits einen arbeitsrechtlichen Anspruch auf Zahlung eines – gegebenenfalls zeitanteilig gekürzten – Jubiläumsgeldes gegenüber seinem früheren Arbeitgeber erworben hatte oder nicht. Unterstellt man diesen Anspruch, war die Zahlung des Jubiläumsgeldes eine Erfüllungsleistung, die als solche die Tarifbegünstigung der Entschädigung für den Arbeitsplatzverlust nicht berührt. Bestand ein solcher Anspruch hingegen nicht, war das Jubiläumsgeld zwar Teil der Entlassungsentschädigung, da es im Zusammenhang mit der Auflösung des Anstellungsverhältnisses vereinbart und gezahlt worden ist. Es stellt dann jedoch eine Entschädigungszusatzleistung dar, die als eine aus sozialer Fürsorge motivierte Leistung des früheren Arbeitgebers die Tarifbegünstigung der Hauptentschädigung ebenfalls nicht nachträglich entfallen lässt[1]. Der Zahlungsgrund der sozialen Fürsorge ist darin zu sehen, dass der entlassene Arbeitnehmer den Anspruch auf die Jubiläumszuwendung durch die bis zum Ausscheiden erwiesene Betriebstreue zumindest weitgehend erworben hatte.

 

Praxishinweis

In einer Grundsatzentscheidung hat der BFH[2] als Entschädigungszusatzleistungen, die für die ermäßigte Besteuerung der Hauptentschädigung unschädlich sind, wenn sie aus Gründen der sozialen Fürsorge gewährt werden, beispielhaft genannt:

  • Leistungen zur Erleichterung des Arbeitsplatz- oder Berufswechsels und
  • Zahlungen zur Anpassung an eine dauerhafte Berufsaufgabe oder Arbeitslosigkeit.

Zur 1. Kategorie gehört z.B. die kostenlose Überlassung des bisherigen Firmen-PKW für eine Übergangszeit[3], zur 2. Kategorie zählen z.B. monatliche Ausgleichszahlungen zur Überbrückung der Arbeitslosigkeit[4].

Im Besprechungsfall hat der BFH eine 3. Kategorie sozialer Fürsorgeleistungen genannt: Zahlungen wegen erwiesener Betriebstreue. Aus der Begründung der Entscheidung ist jedoch erkennbar, dass der Anwendungsspielraum für solche Leistungen sehr eng ist und auf die dort genannten Jubiläumsgelder beschränkt bleiben dürfte. Keinesfalls wird es ausreichen, dass der Arbeitgeber einen Teil der erbrachten Entschädigung als eine solche Leistung deklariert. Denn bei der Höhe der Abfindung wird i.d.R. die Dauer der Betriebszugehörigkeit bereits berücksichtigt. Hinzukommen muss, dass dieser Teil der Zuwendung bereits weitgehend erdient worden war und es nur deshalb nicht – wie bei den verbliebenen Arbeitnehmern – zur regulären Auszahlung kommen konnte, weil der betroffene Arbeitnehmer kurze Zeit vor Erfüllung der endgültigen Anspruchsvoraussetzungen entlassen wurde. Hier war der Kläger bereits 24 Jahre im Unternehmen tätig und nach 25 Jahren hätte ihm die übliche Jubiläumszuwendung zugestanden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 14.05.2003, XI R 23/02

Dieser Inhalt ist unter anderem im WohnungsWirtschafts Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?