Schonpflicht zugunsten des Eigentümers
Die Ausübung einer Dienstbarkeit, die auf dem gesamten dienenden Grundstück lastet, kann auf den realen Teil des Grundstücks beschränkt werden. Doch die weitere Entwicklung kann es für die eine oder andere Seite notwendig machen, die Ausübungsstelle auf einen anderen Teil zu verlegen. Das Gesetz sieht in § 1023 Abs. 1 BGB nur einen Anspruch des Eigentümers auf Verlegung der Ausübung einer Grunddienstbarkeit auf eine andere, für den Berechtigten ebenso geeignete Stelle vor, wenn die Ausübung an der bisherigen Stelle für ihn besonders beschwerlich ist. Diese Regelung gilt auch für den Eigentümer eines Grundstücks, das mit einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit belastet ist.
Schutz auch des Berechtigten?
Ob auch dem Dienstbarkeitsberechtigten in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften oder nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein Anspruch auf Verlegung der Ausübung der Dienstbarkeit auf eine andere Stelle des belasteten Grundstücks zustehen kann, ist umstritten. Hier hat nun der Bundesgerichtshof (BGH) in einer neuen Entscheidung für mehr Klarheit gesorgt: Eine entsprechende Anwendung von § 1023 BGB auf den Dienstbarkeitsberechtigten scheidet aus, wenn die Ausübungsstelle rechtsgeschäftlich zum Inhalt der Dienstbarkeit gemacht worden ist.
2 Möglichkeiten
Bei Begründung der Dienstbarkeit steht es grundsätzlich im Belieben der Beteiligten, ob sie die Bestimmung des Ausübungsorts der tatsächlichen Ausübung überlassen oder rechtsgeschäftlich zum Inhalt der Dienstbarkeit machen. Im zuletzt genannten Fall ist die Vereinbarung als Inhaltsbestimmung in das Grundbuch einzutragen. Diese Konstellation betrifft auch § 1023 Abs. 1 BGB. Die Norm legt dem Dienstbarkeitsberechtigten also nicht nur eine Änderung des tatsächlichen Verhaltens auf dem dienenden Grundstück auf, wenn die Ausübung der Dienstbarkeit an der bisherigen Stelle für den Eigentümer besonders beschwerlich ist, sondern kann auch seine Verpflichtung begründen, an einer Inhaltsänderung der Dienstbarkeit mitzuwirken.
Keine analoge Anwendung
Eine Grundlage, auch den Dienstbarkeitsverpflichteten in bestimmten Fällen zu einer Inhaltsänderung des Rechts zu zwingen, bietet § 1023 BGB nach Ansicht des BGH nicht. Für eine entsprechende Anwendung der Vorschrift fehle es nicht nur an einer planwidrigen Regelungslücke, sondern auch an hinreichenden sachlichen Gründen: Ist ein bestimmter Ausübungsort Inhalt der Dienstbarkeit geworden, kann und muss der Berechtigte sich darauf einrichten, dass ein weitergehendes Recht zur Nutzung des dienenden Grundstücks als aus dem Grundbuch ersichtlich nicht besteht. Auf der anderen Seite muss sich der Eigentümer, der eine inhaltlich beschränkte Dienstbarkeit bewilligt hat, darauf verlassen können, dass die Beschränkung grundsätzlich Bestand hat.
Ausnahme
Hinweis: Offengelassen wurde hier, ob und unter welchen Voraussetzungen der Dienstbarkeitsberechtigte in besonders gelagerten Ausnahmefällen nach Treu und Glauben doch einmal die Veränderung eines rechtsgeschäftlich bestimmten Ausübungsbereichs einer Dienstbarkeit verlangen kann. In Betracht käme dies jedenfalls nur unter der Voraussetzung, dass die Ausübung der Dienstbarkeit an der bisher vorgesehenen Stelle aufgrund nachträglich eingetretener, nicht auf einer willkürlichen Benutzungsänderung beruhender Umstände für den Dienstbarkeitsberechtigten mit unzumutbaren Nachteilen verbunden ist.
(BGH, Urteil v. 12.12.2014, V ZR 36/14, NJW 2015 S. 1750)