Leitsatz
- Die Erstattung einbehaltener und abgeführter KapESt setzt entweder den Erlass eines Freistellungsbescheids oder eine Änderung oder Aufhebung der Steueranmeldung voraus, auf der die Abführung der Steuer beruht. Der Freistellungsanspruch kann, wenn der Kapitalertrag weder der unbeschränkten noch der beschränkten Steuerpflicht unterliegt, auf eine analoge Anwendung von § 50d Abs. 1 EStG 2002 gestützt werden. Zuständig für die Entscheidung über dieses Freistellungsbegehren ist das FA (Bestätigung der ständigen Senatsrechtsprechung).
- Die KSt für Kapitalerträge i.S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002, die nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 3 i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG 2002 dem Steuerabzug unterliegen, ist bei einer beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft als Bezieherin der Einkünfte nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG 2002 durch den Steuerabzug abgegolten. Dass die Kapitalerträge nach § 8b Abs. 1 KStG 2002 bei der Ermittlung des Einkommens einer Kapitalgesellschaft außer Ansatz bleiben, ändert daran nichts.
- Der Einbehalt von KapESt auf Dividenden einer im Inland ansässigen Kapitalgesellschaft an eine in der Schweiz ansässige Kapitalgesellschaft verstößt nicht gegen die Kapitalverkehrfreiheit; eine etwaige doppelte Besteuerung ist nach Art. 24 Abs. 2 Nr. 2 DBA Schweiz 1971 durch entsprechende steuerliche Entlastungsmaßnahmen in der Schweiz zu vermeiden.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung in der Schweiz, hielt im Streitjahr 2002 10,5 % der Namensaktien der deutschen E-AG. Die E-AG schüttete im Juni 2002 an die GmbH eine Dividende aus, von der 20 % KapESt zzgl. SolZ einbehalten wurden. Die GmbH beantragte beim BfF die Erstattung der Abzugssteuern.
Dem entsprach das BfF wegen des in Art. 10 Abs. 2 Buchst. c DBA Schweiz 1971 bestimmten Quellensteuerhöchstsatzes i.H.v. 5 % der Gewinnausschüttung. Eine weitergehende Erstattung lehnte das BfF mangels Zuständigkeit ab.
Die GmbH beantragte darauf beim FA die Erstattung der restlichen KapESt. Dieser Antrag blieb ebenso wie die anschließende Klage erfolglos.
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG nur im Ergebnis: Zwar ist das Finanzamt für den Erstattungsantrag zuständig, doch liegen die Voraussetzungen nicht vor: Die Ausschüttung ist unbeschadet der Freistellung gem. § 8b Abs. 1 KStG quellensteuerpflichtig. Der KapESt-Einbehalt wirkt auch gem. § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG abgeltend. Er ist keineswegs gemeinschaftsrechtswidrig, weil es in Einklang mit den im DBA Schweiz 1971 getroffenen Vereinbarungen Sache der Schweiz ist, die Muttergesellschaft entsprechend zu entlasten.
Hinweis
Schüttet eine Kapitalgesellschaft an ihre Muttergesellschaft eine Dividende aus, so handelt es sich hierbei um einen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG steuerbaren Kapitalertrag, der nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei ist. Gleichwohl gebietet § 43 Abs. 1 Satz 3 EStG die KapESt-Pflicht der Ausschüttung. Regelmäßig resultiert daraus nur ein Stundungseffekt, denn die Quellensteuer ist anzurechnen oder zu erstatten.
Das gilt aber nur für reine Inlandssachverhalte. Bei Inbound-Sachverhalten ist das anders: Die KapESt wird zwar bei unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtigen Muttergesellschaften erhoben, sie wirkt bei beschränkt steuerpflichtigen ausländischen Muttergesellschaft jedoch nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG abgeltend und damit definitiv.Diese Ungleichbehandlung ist umstritten: Die EU-Kommission hat deshalb gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet und beschlossen, Klage beim EuGH zu erheben.
Es fragt sich, ob die Ungleichbehandlung durch den Quellen- oder den Ansässigkeitsstaat "aufzulösen" ist. Zunächst ist das Sache des Quellenstaats. Verständigen sich beide Staaten auf die Zuständigkeit des Ansässigkeitsstaats, ist dies auch gemeinschaftsrechtlich zu akzeptieren. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung wird die Muttergesellschaft dann hinreichend entlastet; die isolierte Schlechterstellung im Quellenstaat ist deshalb hinzunehmen. Daran knüpft der BFH an: Nach Art. 24 Abs. 2 Nr. 2 DBA Schweiz hat die Schweiz die Entlastung von der deutschen Quellensteuer herbeizuführen, etwa durch Anrechnung, eine Pauschalsteuer oder die völlige oder teilweise Freistellung der Dividende. Der BFH gelangt im Verhältnis zur Schweiz somit zu einer Sonderlösung, die nicht verallgemeinert werden kann.
Um eine KapESt-Entlastung zu erreichen, ist ein Erstattungsanspruch geltend zu machen und i.d.R. auf § 37 Abs. 2 AO zu stützen. Das erfordert, dass die vorangegangene Steueranmeldung geändert bzw. erfolgreich angefochten, oder dass ein Freistellungsbescheid erwirkt wird. Letzteres kann analog § 50d Abs. 1 EStG geschehen. Zuständig dafür ist das Betriebsfinanzamt.
Link zur Entscheidung
BFH, 22.04.2009, I R 53/07.