Leitsatz

  1. Eine nach dem Recht des Staates Delaware gegründete US-Kapitalgesellschaft mit statutarischem Sitz in den USA, die ihre tatsächliche Geschäftsleitung in die Bundesrepublik verlegt, kann Organträgerin einer inländischen Kapitalgesellschaft sein. Die dem entgegenstehende Regelung des § 14 Nr. 3 Satz 1 KStG 1984 ist nicht mit dem Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 1 und 4 DBA-USA 1989 vereinbar.
  2. Das Diskriminierungsverbot des Art. 24 Abs. 4 DBA-USA 1989 zugunsten der inländischen Tochtergesellschaft einer US-Kapitalgesellschaft mit Sitz in den USA und Geschäftsleitung im Inland ist unabhängig davon, ob die US-Kapitalgesellschaft nach Art. 4 Abs. 3 DBA-USA 1989 als in keinem der beiden Vertragsstaaten ansässig gilt.
 

Sachverhalt

An der deutschen X-GmbH waren die deutsche A-GmbH und die B-Inc. beteiligt. Die B-Inc., die zudem Mehrheitsgesellschafterin der A-GmbH war, hatte laut Satzung ihren Sitz im US-Staat Delaware. Ihre Geschäftsleitung befand sich aber in Deutschland.

Zwischen der X-GmbH und der B-Inc. bestand ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Das Finanzamt erkannte jedoch eine Organschaft zwischen den Gesellschaften nicht an und setzte deshalb gegen die X-GmbH Körperschaftsteuer fest.

 

Entscheidung

Nach § 14 Nr. 3 Satz 1 KStG 1984 kann eine Körperschaft nur dann Organträger sein, wenn sie sowohl ihren Sitz als auch ihre Geschäftsleitung im Inland hat. Das war bei der B-Inc. nicht der Fall. Auch § 18 KStG 1984 trägt die Möglichkeit einer Organschaft nicht, da er hierfür voraussetzt, dass die ausländische (Ober-)Gesellschaft nur beschränkt steuerpflichtig ist. Daran fehlt es, da die B-Inc. ihre Geschäftsleitung im Inland hat[1]. Jedoch verstößt die Versagung der Organträgereigenschaft für die B-Inc. gegen das DBA-USA: Nach der "Überseering- Entscheidung" des EuGH[2] dürfen Gesellschaften nicht allein wegen eines Sitzes im EU-Ausland schlechter behandelt werden als rein inländische Gesellschaften (Aufgabe der "Sitztheorie"). Das muss auch für die B-Inc. gelten, da das für sie maßgebliche DBA-USA in Art. 24 eine Meistbegünstigungsklausel enthält. Da eine vergleichbare Gesellschaft mit Sitz in Deutschland Organträgerin sein könnte, darf dies mithin der B-Inc. nicht verwehrt werden. Darauf kann sich die X-GmbH berufen.

 

Praxishinweis

1. Das Urteil betrifft die bis 2000 geltende Rechtslage. Seit 2001 muss schon nach dem Gesetzeswortlaut der Organträger nur seine Geschäftsleitung im Inland haben. Sitz und Geschäftsleitung im Inland werden nur noch für die Organgesellschaft verlangt.

2. Das Urteil zeigt, dass zuweilen auch Angehörige von Nicht-EU-Staaten vom EU-Recht profitieren können. Das gilt aber nur, wenn sie sich auf einen völkerrechtlichen Vertrag berufen können, der eine entsprechende Klausel enthält. Aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG lässt sich kein Anspruch auf Anwendung von EU-Recht auf Drittstaatenangehörige herleiten.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 29.01.2003, I R 6/99

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