Leitsatz
- Die Ähnlichkeit eines Heilhilfsberufs ohne staatliche Regelung mit dem Katalogberuf des Krankengymnasten scheitert nicht daran, dass der Steuerpflichtige keine staatliche Erlaubnis zur Führung seiner Berufsbezeichnung besitzt. Vielmehr reicht es aus, wenn er über die Erlaubnis seiner beruflichen Organisation verfügt, die Kenntnisse bescheinigt, die den Anforderungen einer staatlichen Prüfung für die Ausübung der Heilhilfsberufe vergleichbar sind (Änderung der Rechtsprechung).
- Die Zulassung des jeweiligen Steuerpflichtigen bzw. die regelmäßige Zulassung seiner Berufsgruppe nach § 124 Abs. 2 SGB V durch die zuständigen Stellen der gesetzlichen Krankenkassen stellt ein ausreichendes Indiz für das Vorliegen einer dem Katalogberuf des Krankengymnasten ähnlichen Ausbildung, Erlaubnis und Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG dar (gegen BMF-Schreiben vom 3.3.2003, IV A 6 – S 2246 – 8/03, BStBl I 2003, S. 183).
- Fehlt es an einer solchen Zulassung, haben die Finanzämter und gegebenenfalls die Finanzgerichte festzustellen, ob die Ausbildung, die Erlaubnis und die Tätigkeit des Steuerpflichtigen mit den Erfordernissen des § 124 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB V vergleichbar sind.
Sachverhalt
Der Betreiber eines Instituts für Audio-Psycho-Phonologie behandelt seine Patienten nach der – vom zuständigen Gesundheitsamt nicht für erlaubnisbedürftig gehaltenen – sog. Tomatis-Methode. Zur Behandlung gehören eingehende Untersuchungen der Ohren, umfangreiche Hörtests und psychologische Tests sowie eine "Hörkur" mit einem "elektronischen Ohr", das die Funktionen des menschlichen Ohrs nachbilden und dem Ohr seine verloren gegangene analytische Hörfähigkeit wiedergeben soll. Die Patienten suchen das Institut überwiegend aufgrund ärztlicher Empfehlungen auf. Der Betreiber ist ausgebildeter Kirchenmusiker – u.a. mit dem Fach Stimmbildung – und hat das Zertifikat zur Befähigung und Berechtigung der eigenständigen Anwendung der Tomatis-Methode erworben. Das Finanzamt sah in der Tätigkeit des Klägers einen Gewerbebetrieb und erließ einen entsprechenden Gewerbesteuermessbescheid, den das FG mit der Begründung aufhob, die Tätigkeit sei freiberuflicher Natur. Dagegen richtet sich die Revision.
Entscheidung
Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, dass derjenige, der keine Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 HeilprG besitzt, gleichwohl einen dem Heilpraktiker ähnlichen Beruf ausüben kann, wenn durch seine Tätigkeit keine gesundheitlichen Schäden verursacht werden können. Denn ein Beruf, der sich auf heilkundliche Verrichtungen beschränkt, die entweder keine ärztlichen Fähigkeiten voraussetzen oder nicht einmal mittelbar zu gesundheitlichen Schäden führen können, ist der Tätigkeit des Heilpraktikers nicht vergleichbar. Er kann allerdings – abweichend von der bisherigen Rechtsprechung – ungeachtet seiner Erlaubnisfreiheit dem Katalogberuf eines Krankengymnasten ähnlich sein. Denn die dafür geltende Erlaubnispflicht schützt lediglich die Berufsbezeichnung, schließt aber die Ausübung der Tätigkeit unter einer anderen Berufsbezeichnung nicht aus. Voraussetzung für eine Ähnlichkeit ist aber der Nachweis einer entsprechenden fachgerechten Berufsausübung, die bei Heil- und Heilhilfsberufen allerdings nicht nur durch eine staatlich reglementierte Ausbildung und Prüfung gewährleistet wird. Vielmehr genügt dafür nach § 124 Abs. 2 SGB V die Zulassung von Erbringern von "Heilmitteln als Dienstleistungen" durch die gesetzlichen Krankenkassen. Sie stellt ein ausreichendes Indiz für das Vorliegen einer dem Katalogberuf des Krankengymnasten ähnlichen Tätigkeit dar. Fehlt es – wie im Streitfall – an einer solchen Zulassung, haben die Finanzämter und gegebenenfalls die Finanzgerichte festzustellen, ob die Ausbildung, die Erlaubnis und die Tätigkeit des Steuerpflichtigen mit den Erfordernissen des § 124 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB V vergleichbar sind.
Praxishinweis
Ein ähnlicher Beruf liegt vor, wenn er in wesentlichen Punkten mit einem der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannten Katalogberufe sowohl hinsichtlich der Ausbildung als auch hinsichtlich seiner Ausübung verglichen werden kann. Die für den vergleichbaren Katalogberuf erforderlichen Kenntnisse müssen nachgewiesen sein, die so qualifizierte Arbeit muss den wesentlichen Teil der gesamten Berufstätigkeit ausmachen und dem ähnlichen Beruf das Gepräge im Sinne des Katalogberufs geben. Ist für die Ausübung des Katalogberufs eine Erlaubnis erforderlich oder ist die Ausübung des Katalogberufs ohne Erlaubnis mit Strafe bedroht, so kann eine Ähnlichkeit nur gegeben sein, wenn für die Ausübung des vergleichbaren Berufs ebenfalls eine Erlaubnis erforderlich ist.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 28.8.2003, IV R 69/00