Leitsatz
Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG können Anschaffungs- oder Herstellungskosten für ein zum Umlaufvermögen gehörendes Grundstück, die im Jahr der Zahlung nicht geltend gemacht worden sind und infolge der Bestandskraft der entsprechenden Veranlagung auch in diesem Jahr nicht mehr geltend gemacht werden können, nicht ohne weiteres im Jahr der ersten "offenen" Veranlagung abgezogen werden. Das gilt auch dann, wenn der Abzug unterblieben ist, weil der Steuerpflichtige fälschlich davon ausgegangen ist, es handle sich bei dem angeschafften Wirtschaftsgut um Privatvermögen.
Sachverhalt
Eine GbR hat ein als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehendes Grundstück in A an eine GmbH verpachtet, an der ausnahmslos ihre Gesellschafter beteiligt sind. Die infolgedessen bestehende Betriebsaufspaltung wurde zunächst nicht berücksichtigt. Bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung erklärte die GbR für 1991 sowie 1992 und zunächst auch für 1993 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die entsprechend ergangenen Feststellungsbescheide wurden bestandskräftig. 1993 erwarb die GbR von einem in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Auftraggeber der GmbH ein Grundstück in B, auf dem die GmbH einen Rohbau errichtet hatte. Auf die Anschaffungskosten machte die GbR im Rahmen der Ermittlung ihrer – vermeintlichen – Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Sonderabschreibungen nach § 4 Abs. 2 FördG geltend. Das Finanzamt veranlagte erklärungsgemäß. Im November 1995 beantragte die GbR, die "Feststellungserklärung für 1993" zu ändern, weil sie wegen der Betriebsaufspaltung Einkünfte aus Gewerbebetrieb erziele. Zugleich wies sie auf den Erwerb des Grundstücks in B hin, das nach Fertigstellung des Rohbaus noch in 1995 verkauft werden solle. In der beigefügten Einnahmen-Überschussrechnung wies sie Betriebsausgaben in Höhe der Anschaffungskosten aus. Das Finanzamt lehnte die Änderung des Feststellungsbescheids für 1993 unter Hinweis auf dessen Bestandskraft ab.
Im Feststellungsbescheid für das Streitjahr 1994 berücksichtigte das Finanzamt zunächst die in der Gewinnermittlung wiederum als Betriebsausgaben angesetzten Anschaffungskosten, machte dies aber aufgrund einer Außenprüfung mit der Begründung rückgängig, das zum Verkauf bestimmte Grundstück habe zum Umlaufvermögen gehört. Da die Mittel bereits im Jahre 1993 abgeflossen seien, müsse der Betriebsausgabenabzug im Streitjahr versagt werden. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Entscheidung
Auch nach Auffassung des BFH können die noch nicht nach § 4 Abs. 2 FördG abgesetzten Anschaffungskosten für das Grundstück in B den Gewinn des Streitjahrs nicht mindern. Da das Grundstück unstreitig zur Veräußerung bestimmt und somit dem Umlaufvermögen zuzurechnen war, waren die insoweit entstandenen Aufwendungen nach § 11 Abs. 2 EStG im Jahr der Verausgabung – also bereits vor dem Streitjahr – gewinnwirksam. Anders als für abnutzbare oder nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sieht das Gesetz von diesem Grundsatz keine Ausnahme vor. Folglich können Betriebsausgaben, deren Abzug im Rahmen der Einnahmen-Überschussrechnung im Jahr der Verausgabung vergessen worden ist, nicht in einem späteren Jahr abgezogen werden, mithin nach bestandskräftiger Veranlagung auch nicht im Jahr der ersten "offenen" Veranlagung. Auf den Grund für den Nichtabzug, z.B. die irrtümliche Zurechnung des Wirtschaftsguts zum Anlage- oder zum Privatvermögen, kommt es danach nicht an. Die negativen Folgen des Nichtabzugs werden allerdings dadurch begrenzt, dass die Anschaffungskosten einen später anfallenden Gewinn aus der Veräußerung oder Entnahme des Wirtschaftsguts mindern.
Praxishinweis
Die Berücksichtigung des "vergessenen" Abzugs von Anschaffungskosten für Umlaufvermögen bei dessen Veräußerung als gewinnmindernder Posten setzt voraus, dass ein gegebenenfalls für das Veräußerungsjahr ergangener bestandskräftiger Gewinnfeststellungsbescheid nach den §§ 172ff. AO änderbar ist. Andernfalls bleibt nach dem ausdrücklichen Hinweis des BFH nur die Möglichkeit einer Bescheidkorrektur im Wege einer Billigkeitsmaßnahme nach § 227 AO.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 30.6.2005, IV R 20/04