Leitsatz
Das Finanzamt ist grundsätzlich berechtigt, von einer Rechtsanwaltskammer Auskünfte über für die Besteuerung erhebliche Sachverhalte eines Kammermitglieds einzuholen. Die Vorschriften der Berufsordnung über die Verschwiegenheitspflicht des Kammervorstands stehen dem nicht entgegen.
Sachverhalt
Im Urteilsfall hatte die Finanzbehörde längere Zeit vergeblich versucht, von einem Rechtsanwalt rückständige Steuern in Höhe von 3 400 EUR beizutreiben. Um weitere Vollstreckungsmöglichkeiten zu prüfen, verlangte das Finanzamt von der Anwaltskammer Auskunft über die Kontoverbindung des Steuerpflichtigen, über die dieser seine Kammerbeiträge entrichtete. Die hiergegen gerichtete Klage der Standesvertretung war erfolglos.
Nach § 93 Abs. 1 AO haben am Besteuerungsverfahren Beteiligte und andere Stellen dem Finanzamt auf Verlangen Auskünfte zu erteilen, die für die Besteuerung relevant sind. Diese Pflicht gilt auch im Vollstreckungsverfahren. Sie richtet sich gleichermaßen an berufsständische Vertretungen. Zwar sind deren Vorstände prinzipiell selbst zur Verschwiegenheit verpflichtet (§ 76 Abs. 1 BRAO). Diese Schweigepflicht gilt aber kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung gerade nicht gegenüber der Finanzbehörde (§ 105 AO). Berufskammern und ähnliche Einrichtungen sind also nicht gegenüber anderen Stellen privilegiert. Auch das in § 102 AO verankerte Auskunftsverweigerungsrecht von Angehörigen der freien Berufe greift nicht, da es nur Informationen schützt, die ein Berufsangehöriger in einem speziell erteilten Mandat erlangt. Die umfassende Auskunftspflicht ist ihrerseits Ausfluss allgemeiner staatsbürgerlicher Pflichten und liegt im überwiegenden Allgemeininteresse. Sie ist damit auch verfassungsrechtlich unbedenklich.
Prinzipiell muss jedes behördliche Verlangen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten, also im Einzelfall geeignet und notwendig sowie für den Betreffenden erfüll- und zumutbar sein. Diese Voraussetzungen waren hier gegeben. Denn mit dem Ersuchen konnten weitere Bankverbindungen und Vollstreckungsmöglichkeiten ermittelt werden. Das von der Kammer vorgetragene Risiko, dass sich wegen der Möglichkeit der Datenweitergabe an die Finanzbehörden Kammermitglieder künftig der Kammer nur zurückhaltend offenbaren könnten, ist im Interesse der Durchsetzung des Steueranspruchs hinzunehmen. Das weitestgehende Ausschöpfen aller denkbaren Steuerquellen genießt damit oberste Priorität.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 19.12.2006, VII R 46/05.