Leitsatz
- Eine aufgrund unzutreffenden Steuerausweises in einer Rechnung gem. § 14 Abs. 2 UStG entstandene nicht entrichtete Steuer ist gem. § 233a AO zu verzinsen. Die aufgrund des Steuerausweises entstandene USt-Schuld besteht bis zur – ohne Rückwirkung eintretenden – Berichtigung des Steuerbetrags.
- Eine rückwirkende Berichtigung unzutreffend ausgewiesener Steuer widerspricht dem Regelungszweck des § 14 Abs. 2 S. 2 UStG i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG. Für eine sachliche Unbilligkeit der Verzinsung von derartigen Umsatzsteuer-Nachforderungen ist deshalb kein Anhaltspunkt ersichtlich.
- Eine ermessenslenkende Billigkeitsregelung der Verwaltung, wonach Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen sind, wenn ein Unternehmer eine unrichtige Endrechnung, die eine Steuerschuld nach § 14 Abs. 2 UStG auslöst, in einem auf das Kalenderjahr der ursprünglichen Rechnungserteilung folgenden Kalenderjahr nach Aufdeckung seines Fehlers sogleich berichtigt hat, bindet die Gerichte nicht.
- Ein aus Art. 3 Abs. 1 GG herzuleitender Anspruch gegenüber einer Behörde auf Fortführung einer gesetzwidrigen Verwaltungspraxis besteht nicht.
Konsequenzen für die Praxis
Nach dem BMF-Schreiben vom 1.4.1996 soll die Umsatzsteuer aus Billigkeitsgründen erlassen werden, "wenn in einer Endrechnung die vor der Leistung vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden Umsatzsteuerbeträge nicht abgesetzt oder angegeben wurden." Der Unternehmer schulde zwar die Umsatzsteuer aus dem in der Endrechnung zu Unrecht doppelt ausgewiesenen Steuerbetrag nach § 14 Abs. 2 UStG. Bei Berichtigung der Rechnung seien aber Nachzahlungszinsen, die auf diese Steuer nach § 14 Abs. 2 UStG entfielen, aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen, "wenn der Unternehmer nach Aufdeckung seines Fehlers sogleich eine berichtigte Endrechnung erteilt."
Das widerspricht der eindeutigen gesetzlichen Regelung in § 14 Abs. 2 S. 2 UStG i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG, wonach zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer bis zum Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung geschuldet wird. Die Festsetzung von Nachzahlungszinsen gem. § 233a AO ist grundsätzlich rechtmäßig, wenn der Steuerschuldner Liquiditätsvorteile gehabt hat, weil er von der Zahlung der geschuldeten Steuer – wegen unzutreffender Steuerfestsetzung – vorerst "freigestellt" war. Für die nach § 14 Abs. 2 UStG bis zur Rechnungsberichtigung geschuldete Steuer gilt nichts anderes. Für eine sachliche Unbilligkeit der Verzinsung gibt es keinen Anhaltspunkt."
Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften wie die oben genannte "Billigkeitsmaßnahme" können auch unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung und damit der Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) bei der gerichtlichen Überprüfung von Ermessensentscheidungen nur von Bedeutung sein, wenn sie nicht gesetzwidrig sind.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 19.3.2009, V R 48/07, BFH/NV 2009 S. 1169