Leitsatz

Wohnen Eltern mit ihren Kindern in Deutschland, arbeiten aber beide in der Schweiz, stehen ihnen Leistungen für ihre Kinder nur nach dem in der Schweiz geltenden Recht zu. Ein Anspruch auf die Differenz zwischen dem in der Schweiz gezahlten und dem höheren Kindergeld nach § 66 EStG besteht nicht.

 

Sachverhalt

In Deutschland lebende Eheleute, die beide in der Schweiz arbeiteten, bezogen für ihre drei Kinder Kindergeld, das die Familienkasse im September 2003 rückwirkend ab Juni 2002 aufhob und in Höhe von 6930 EUR zurückforderte. Dabei bezog sich die Familienkasse zur Begründung auf Art. 13 der VO (EWG) Nr. 1408/71, die seit Juni 2002 auch für die Schweiz gelte. Dem Kläger wurde im Oktober 2003 Kinder- und Ausbildungszulage für Juni 2002 bis September 2003 in Höhe von 9120 Sfr (5922 EUR) nachgezahlt. Außerdem erhielt er monatlich eine Familienzulage von 285 Sfr. Der Kläger war der Ansicht, das Kindergeld hätte nur in Höhe der in der Schweiz gewährten Leistungen aufgehoben werden dürfen. Die Klage auf den Differenzbetrag hatte keinen Erfolg. Der BFH wies auch die Revision zurück.

 

Entscheidung

Nach dem Freizügigkeitsabkommen zwischen der EU und der Schweiz[1] gilt seit Juni 2002 auch im Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz die VO (EWG) 1408/71. Gemäß deren Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. a hat ein Grenzgänger ausschließlich nach dem Recht des Beschäftigungslands Anspruch auf Familienleistungen, also nicht auf Teilkindergeld, wenn die Familienleistung im Wohnland höher ist als im Beschäftigungsland. Differenzkindergeld gibt es nur in dem Fall, dass einem Elternteil Familienleistungen im Beschäftigungsland und dem anderen Elternteil Kindergeld im Wohnland zusteht[2]. Als berufstätiger Grenzgänger hat ein Elternteil im Wohnland aber keinen Anspruch auf Differenzkindergeld. Die unterschiedliche Behandlung von Elternteilen, je nach der Berufstätigkeit beider bzw. eines von ihnen, verstößt nicht gegen den auch im Gemeinschaftsrecht verankerten allgemeinen Gleichheitsgrundsatz. Sie rechtfertigt sich dadurch, dass mit dem Beschäftigungslandprinzip auch bei unterschiedlicher Höhe ein Nebeneinander unterschiedlicher Sozialsysteme vermieden werden soll, zumal die Betroffenen bei der Entscheidung über ihren Wohnsitz und Arbeitsplatz alle Faktoren, insbesondere Lohnhöhe, Lebenshaltungskosten und soziale Entlastung, einbeziehen können.

Die Familienkasse durfte die bisherige Kindergeldfestsetzung nach § 70 Abs. 2 EStG ändern, weil diese Norm nicht nur bei anderen tatsächlichen, sondern auch bei anderen rechtlichen Verhältnissen eingreift. So war es hier wegen der Gesetzesänderung. Ein Vertrauensschutz, dass eine bisherige günstigere Rechtslage ab der Gesetzesänderung nicht rückwirkend berücksichtigt werden kann, bestand nicht.

 

Praxishinweis

Da das Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz lediglich die innerhalb der EU geltenden Regeln übernimmt, sind die geschilderten Rechtsgrundsätze auch dort anzuwenden. Dabei geht das Gemeinschaftsrecht der innerstaatlichen Regelung vor. Vor Juni 2002, als im Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz noch kein Gemeinschaftsrecht galt, hatten Eltern deshalb keinen Anspruch auf Differenzkindergeld, weil dieses nach § 65 Abs. 2 EStG nur in den Fällen des § 65 Abs. 1 Nr. 1 EStG – Kinderzuschüsse aus gesetzlichen Versicherungen – und nicht in Fällen der Nr. 2 der Vorschrift – vergleichbare ausländische Leistungen – gewährt wurde. Das war auch von Verfassung wegen hinzunehmen[3]. Aus dem gleichen Grund gibt es auch kein Differenzkindergeld zum amerikanischen child-benefit[4].

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 24.3.2006, III R 41/05

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