Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
Über die Verrechenbarkeit von Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG, die im Entstehungsjahr nicht ausgeglichen werden können, ist im Jahr der Verrechnung zu entscheiden; ein gesondertes Feststellungsverfahren sieht die Vorschrift nicht vor (entgegen BMF-Schreiben vom 5.10.2000, IV C 3 – S 2256 – 263/00, BStBl I 2000, S. 1383, Rz. 42).
Sachverhalt
A erklärte für das Jahr 2000 neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit einen Gesamtgewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften von 1000 DM. Nachdem ihn das Finanzamt bestandskräftig veranlagt hatte, legte A eine Verlustaufstellung für 2000 mit dem Antrag vor, den sich daraus ergebenden Verlust von 5000 DM festzustellen. Diesen Antrag lehnte das Finanzamt unter Hinweis auf die Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2000 ab. Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG meinte, ein Feststellungsbescheid über im Entstehungsjahr nicht ausgleichsfähige Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften könne für das Verlustentstehungsjahr nicht mehr ergehen, wenn der Einkommensteuerbescheid – wie hier – wegen Eintritts der Bestandskraft nicht mehr geändert werden kann.
Entscheidung
Auch der BFH konnte dem Begehren des A nicht folgen, allerdings schon deshalb nicht, weil bereits kein gesondertes Feststellungsverfahren durchzuführen ist. Nach § 23 Abs. 3 S. 8 EStG dürfen Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften nur bis zur Höhe des Gewinns, den ein Steuerpflichtiger im gleichen Kalenderjahr erzielt, ausgeglichen werden. Nach § 23 Abs. 3 S. 9 EStG mindern diese Verluste nach Maßgabe des § 10d EStG die positiven Einkünfte, die der Steuerpflichtige in dem unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum oder in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus privaten Veräußerungsgeschäften erzielt hat oder erzielt. Die Regelung ordnet damit lediglich an, dass die im Entstehungsjahr nicht ausgleichsfähigen Verluste in anderen Veranlagungszeiträumen zu berücksichtigten sind. "Nach Maßgabe des § 10d" erfolgt eine solche Minderung schon dann, wenn der Verlust bis zu einem Betrag von 2 Mio. DM im Vorjahr der Verlustentstehung bei entsprechenden positiven Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften angesetzt und im Übrigen vorgetragen wird. Ein gesondertes Feststellungsverfahren für negative Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften sieht das Gesetz nicht vor. Folglich muss über die Verrechnung nicht ausgleichsfähiger Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG in dem Veranlagungszeitraum entschieden werden, in dem verrechenbare positive Einkünfte aus solchen Geschäften erzielt werden.
Praxishinweis
Der BFH hält für A trotz des verlorenen Finanzgerichtsverfahrens Trost bereit: Soweit nämlich eine Verrechnung nicht ausgleichsfähiger Verluste mit positiven Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften im Hinblick auf eine von den Beteiligten angenommene Notwendigkeit eines gesonderten Feststellungsverfahrens in bereits abgelaufenen Veranlagungszeiträumen unterblieben ist, kann dies trotz der Bestandskraft nach § 174 Abs. 3 S. 1 AO nachgeholt werden. Diese Voraussetzungen sind dann in einem gesonderten Verfahren zu prüfen.
Link zur Entscheidung
BFH-Urteil vom 22.9.2005, IX R 21/04