Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
Ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i. S. des § 42 AO liegt nicht vor, wenn ein Ehegatte dem anderen seine an dessen Beschäftigungsort belegene Wohnung im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung zu fremdüblichen Bedingungen vermietet.
Sachverhalt
Die Eheleute Aund B besitzen mehrere Immobilien. Awird als Geschäftführer einer GmbH weit entfernt von der gemeinsamen Familienwohnung tätig, so dass er sich eine Wohnung am Arbeitsort nehmen muss. Zu diesem Zweck erwirbt B eine Eigentumswohnung und vermietet sie ihrem Ehemann. Da B, abgesehen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, über keine Einnahmen verfügt, finanziert sie den Erwerb über Darlehen. Zins- und Tilgungsleistungen begleicht sie von ihrem Objektkonto, auf das die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung fließen. Sollsalden werden vom gemeinsamen Girokonto der Eheleute ausgeglichen, das im Wesentlichen aus dem Geschäftsführergehalt gespeist wird. Finanzamt und -gericht werteten das Mietverhältnis zwischen A und B als rechtsmissbräuchliche Gestaltung. Der BFH erkannte sie an.
Entscheidung
Es sind mehrere Gründe, die den IX. Senat des BFH dazu bewogen haben, die hier streitige Vermietung unter den Eheleuten als nicht missbräuchlich zu bewerten. Zunächst steht es B als Eigentümerin bereits zivilrechtlich frei, die Wohnung, die nicht die gemeinsame, nur unentgeltlich überlassbare Familienwohnung darstellt, an A zu vermieten. Ferner wäre A, hätte er die Wohnung erworben, steuerlich nicht gehalten, sie im Rahmen der doppelten Haushaltsführung selbst zu nutzten. Er hätte sie – mit dem gleichen steuerlichen Ergebniswie die von den Eheleuten gewählte Gestaltung – auch vermieten und sich eine andere Wohnung nehmen können. Das Steuerrecht knüpft – wie vom BVerfG ständig vertreten – an die freie Entscheidung der Ehegatten im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Lebensführung an. Deshalb wird es der wirtschaftlichen Realität der Ehe auch nicht gerecht, die vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten untereinander auf ihre unterhaltsrechtlichen Ansprüche nach den §§ 1360 ff. BGB zu reduzieren.
Ob die zum Umsatzsteuerrecht vertretene Rechtsprechung zum "Vorschalten" der Ehefrau auf das EStG übertragbar ist, musste der BFH nicht entscheiden: Denn sie führt jedenfalls in Konstellationen wie hier nicht zu vergleichbaren Ergebnissen. Der vom Vorsteuerabzug ausgeschlossene Unternehmer-Ehegatte erreicht einen Vorsteuerabzug nur durch das Zwischenschalten seines Ehepartners, während A hier – hätte er die Wohnung selbst vermietet – auch selbst negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung hätte erzielen können.
Praxishinweis
Die besprochene Entscheidung eröffnet Ehegatten eine interessante Gestaltungsmöglichkeit. Die Ehefrau kann die negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung geltend machen, indem sie die vom Ehemann vereinnahmten Mieten um Schuldzinsen, Abschreibungen etc. mindert. Zugleich kann der Ehemann die entrichtete Miete bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Werbungskosten abziehen. Damit werden diese Beträge im wirtschaftlichen Ergebnis neutralisiert. Das klingt zunächst ganz nach Missbrauch. Indes: Hätte die Ehefrau ihre Wohnung an einen Dritten vermietet und der Ehemann seine am Arbeitsort genutzte Wohnung von einem Dritten gemietet, wären die steuerlichen Folgen gleich. Die Gestaltungsmöglichkeit für Eheleute erhält eine zusätzliche Bedeutung dadurch, dass das BVerfG die zeitliche Befristung der doppelten Haushaltsführung für verfassungswidrig erklärt hat.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 11.03.2003, IX R 55/01