Leitsatz
- Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig und hat deshalb keine grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eindeutig so zu beantworten ist, wie es das FG in dem angefochtenen Urteil getan hat.
- Die für innergemeinschaftliche Lieferungen geltende Vertrauensschutzregelung in § 6a Abs. 4 UStG ist nicht auf Ausfuhrlieferungen in Drittstaaten anwendbar.
Sachverhalt
Eine GmbH, die mit elektronischen Bauteilen und Computern handelt, erklärte für 1994 steuerfreie Ausfuhrlieferungen in Form der Abholung der Waren durch polnische Kunden. Die GmbH stellte den Kunden keine Umsatzsteuer in Rechnung und bat sie, die Ausfuhrbescheinigungen umgehend zu übersenden, was auch regelmäßig geschah. Eine Umsatzsteuerprüfung ergab, dass die vorgelegten Ausfuhrbelege teilweise gefälschte Zollstempel trugen. Das Finanzamt erkannte diese Ausfuhrlieferungen deshalb nicht mehr als steuerfrei an. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg, was damit begründet wurde, dass die Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 UStG im Streitfall nicht anwendbar sei. Die GmbH beantragte Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung dieser Frage.
Entscheidung
Der BFH verneint die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Bereits aus dem Wortlaut von § 4 Nr. 1 und § 6 UStG – "Steuerfreiheit für Ausfuhrlieferungen" und der Entstehungsgeschichte von § 6a Abs. 4 UStG folgt, dass diese Vorschrift nicht auf Ausfuhrlieferungen anwendbar ist. Die Gewährung der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung trotz unrichtiger Angaben des Abnehmers, die der liefernde Unternehmer auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte, ist im Zusammenhang mit der gesetzlichen Folge zu sehen, dass in diesem Fall der Abnehmer die entgangene Steuer schuldet. Die Regelung unterstellt die Realisierbarkeit dieser Schuld im gemeinsamen Markt. Für Ausfuhrlieferungen hat der Gesetzgeber keine § 6a Abs. 4 UStG entsprechende Regelung getroffen.
Praxishinweis
Der BFH hebt in der Entscheidung den Ausnahmecharakter des § 6a Abs. 4 UStG für innergemeinschaftliche Lieferungen hervor. Die Regelung ist nur im Binnenmarkt vorstellbar. Für eine Übertragung dieser – m.E. ohnehin problematischen – Vorschrift auf die "normale Ausfuhr" ist kein Grund ersichtlich. Es fehlt an einem Rechtsrahmen, um den – betrügenden – Abnehmer im Drittstaat zum Ausgleich einer im Ausfuhrstaat gewährten Befreiung in Anspruch nehmen zu können.
Aufgrund der Formstrenge der Ausfuhrbefreiung ist die Chance für umsatzsteuerliche Billigkeitsmaßnahmen im Übrigen – auch bei betrügerischen Abnehmern – sehr gering.
Immerhin ist die Konstellation des Streitfalls aufgrund des Beitritts der neuen Mitgliedstaaten nicht wiederholbar.
Link zur Entscheidung
BFH-Beschluss vom 6.5.2004, V B 101/03