Leitsatz

  1. Säumniszuschläge sind in der Regel zur Hälfte zu erlassen, wenn ihre Funktion als Druckmittel ihren Sinn verliert (ständige Rechtsprechung).
  2. Die gesetzgeberische Entscheidung in § 240 Abs. 1 Satz 4 AO, dass Säumniszuschläge nicht akzessorisch zur Hauptschuld sind, ist auch dann zu beachten, wenn die angefochtene Steuerfestsetzung nach Konkurseröffnung ersatzlos aufgehoben wird, ohne dass der Steuerpflichtige Aussetzung der Vollziehung beantragt hatte, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre.
  3. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung kann auch nach Anordnung der Sequestration zur Beseitigung von Wirkungen vollziehbarer Steuerfestsetzungen geboten sein, die – wie das Anfallen von Säumniszuschlägen – nicht in Vollstreckungsmaßnahmen liegen.
 

Sachverhalt

Strittig ist der vollständige Erlass der bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens verwirkten Säumniszuschläge, u.a. zur Umsatzsteuer 1989 bis 1992 und 1994, die das Finanzamt bisher zur Hälfte erlassen hat. Der Kläger ist Konkursverwalter im Konkursverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin, einer GmbH.

Die Umsatzsteuerbescheide waren angefochten, Anträge auf Aussetzung der Vollziehung aber nicht gestellt worden.

Das Konkursverfahren wurde im Juni 1995 eröffnet. Das Finanzamt meldete u.a. die Umsatzsteuerforderungen zur Tabelle an und stellte diese Forderungen mit Bescheid vom Februar 1996 fest. Im Oktober 2000 hob das Finanzamt die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1988 bis 1992 und den Feststellungsbescheid vom Februar 1996 ersatzlos auf. Der Kläger beantragte darauf den Erlass der Säumniszuschläge. Das Finanzamt erließ sie zur Hälfte. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Mit der Revision trägt der Kläger vor, Finanzamt und -gericht hätten das kumulative Zusammenwirken der Erlassgründe und insbesondere die Wertungen der KO berücksichtigen müssen. Ein Zinsschaden habe beim Abgabengläubiger wegen der späteren Aufhebung der rechtswidrigen Steuerfestsetzung nicht entstehen können, weil das Finanzamt bei Zahlung der Beträge durch die Gemeinschuldnerin und späterer Erstattung die rechtsgrundlos gezahlten Beträge hätte erstatten und nach § 233a Abs. 3 Satz 3 AO verzinsen müssen.

 

Entscheidung

Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Säumniszuschläge nicht in voller Höhe zu erlassen sind.

Nach § 240 Abs. 1 Satz 4 AO bleiben nachträgliche Erhöhungen oder Ermäßigungen der Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Säumniszuschläge unberücksichtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung kommt ein Erlass in Betracht, wenn dem Steuerpflichtigen die rechtzeitige Zahlung der Steuer wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit unmöglich ist und deshalb die Ausübung von Druck zur Zahlung ihren Sinn verliert. Sie sind dann nur zur Hälfte zu erlassen, denn ein Säumiger soll grundsätzlich nicht besser stehen als ein Steuerpflichtiger, dem Aussetzung der Vollziehung oder Stundung gewährt wurde.

Im Falle einer Aussetzung der Vollziehung wären die Zinsen akzessorisch zur Hauptschuld. Das FG hat die Erwägungen des Finanzamts, dass das Unterlassen eines Aussetzungsantrags durch die Gemeinschuldnerin dem Kläger vorzuhalten sei, ohne Rechtsverstoß nicht beanstandet. Entgegen der Auffassung des Klägers war ein Aussetzungsantrag auch nicht wegen etwaiger Wirkungen aus § 106 KO entbehrlich. Säumniszuschläge sind Zinsen i.S. des § 63 Nr. 1 KO und keine Vollstreckungsmaßnahmen i.S. der §§ 14, 106 KO, die erst ab Konkurseröffnung nicht mehr geltend werden können.

 

Praxishinweis

Der Kläger hatte sich nicht nur auf § 106 KO berufen, sondern auch – wie dies regelmäßig bei der Anwendung des § 233a AO geschieht – auf den fiktiven Vergleich, dass die festgesetzte und später wieder aufgehobene Steuer nach § 233a Abs. 3 Satz 3 AO zu Gunsten des Steuerpflichtigen hätte verzinst werden müssen, wenn sie denn bezahlt worden wäre, und deshalb beim Abgabengläubiger kein Zinsschaden entstanden sei. Das hieße, den säumigen Steuerpflichtigen fiktiv mit einem Steuerpflichtigen gleichzustellen, der seine Steuern fristgerecht entrichtet hat. Wären in einem solchen Fall ungeachtet der grundsätzlich unterschiedlichen Laufzeiten Zinsen zu Gunsten des Steuerpflichtigen angefallen, wären diese berechtigt gewesen, weil der Steuerpflichtige die Steuer tatsächlich bezahlt hatte und ihm die Kapitalnutzung während dieser Zeit nicht möglich war.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 30.3.2006, V R 2/04

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