Anna-Christina Hartmann, Rainer Hartmann
Leitsatz
Wird die arbeitsvertragliche Zusage von Weihnachts- und Urlaubsgeld vor dem Zeitpunkt der Entstehung dieser Sonderzuwendungen einvernehmlich aufgehoben, kann dem Arbeitnehmer weder Arbeitslohn über die Grundsätze des Zuflusses von Einnahmen bei einem beherrschenden Gesellschafter zufließen noch kann der Arbeitnehmer insoweit eine Zufluss begründende verdeckte Einlage bewirken.
Sachverhalt
Die verheirateten Steuerpflichtigen waren zu jeweils 50 % an einer GmbH beteiligt. Während der Ehemann als Geschäftsführer der GmbH tätig war, war die Ehefrau als kaufmännische Angestellte bei der GmbH beschäftigt. Im Jahr 1997 vereinbarten die Ehegatten jeweils mit der GmbH die Gewährung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Dieses wurde in den Streitjahren 1999 bis 2002 nicht ausgezahlt. In der Bilanz der GmbH wurden auch keine entsprechenden Passivposten gebildet. Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung kam das Finanzamt zum Ergebnis, dass das fragliche Urlaubs- und Weihnachtsgeld zugeflossen sei und erließ geänderte Einkommensteuerbescheide 1999-2002.
Der Zufluss i.S.d. Einkommensteuergesetzes (§ 11Abs. 1 EStG) tritt mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht ein. Geldbeträge fließen dem Steuerpflichtigen dementsprechend regelmäßig dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Da sich die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht nach den tatsächlichen Verhältnissen richtet, kann das Zufließen grundsätzlich nicht fingiert werden. Eine Ausnahme macht die Rechtsprechung hiervon lediglich bei beherrschenden Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft.
Schließlich kann der Verzicht des Gesellschafters auf seinen Vergütungsanspruch zum Zufluss des Forderungswerts führen, soweit mit ihm eine verdeckte Einlage erbracht wird (Beschluss des Großen Senats des BFH v. 9.6.1997, GrS 1/94, BStBl 1998 II S. 307). Als verdeckte Einlagen sind nur Wirtschaftsgüter geeignet, die das Vermögen der Kapitalgesellschaft vermehrt haben, sei es durch den Ansatz oder die Erhöhung eines Aktivpostens, sei es durch den Wegfall oder die Verminderung eines Passivpostens. Ob als Voraussetzung für eine verdeckte Einlage das Vermögen der Kapitalgesellschaft i.d.S. vermehrt ist, bestimmt sich nach Bilanzrecht. Insofern ist maßgeblich, inwieweit Bilanzposten in eine Bilanz hätten eingestellt werden müssen, die zum Zeitpunkt des Verzichts erstellt worden wären (BFH, Urteil v. 6.11.2003, IV R 10/01, BStBl 2004 II S. 416, m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen fehlt es an einem Zufluss des Urlaubs- und Weihnachtsgelds. Zum einen sind die in Rede stehenden Sonderzuwendungen in tatsächlicher Hinsicht nicht zugeflossen. Zum anderen ist der Zufluss auch nicht nach den für die steuerliche Erfassung von Einnahmen bei einem beherrschenden Gesellschafter geltenden Regeln zu bejahen. Die Eheleute sind keine beherrschenden Gesellschafter der GmbH, da ihre Beteiligung am Stammkapital der GmbH jeweils lediglich 50 % beträgt. Für eine beherrschende Stellung wäre eine Mehrheit der Stimmrechte oder eine andere vergleichbare Machtposition erforderlich. Allein der Umstand, dass die beiden alleinigen Gesellschafter Eheleute sind, reicht nicht aus.
Zudem fehlt es an einer Forderung, die hätte fällig werden können. Der zunächst arbeitsvertraglich eingeräumte Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld besteht in den Streitjahren nicht mehr, da er mindestens konkludent aufgehoben worden ist. Damit konnten die beiden Gesellschafter auch keine einen Zufluss begründende verdeckte Einlage bewirken.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 15.5.2013, VI R 24/12.