Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Verzichtet ein Gesellschafter-Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft auf bestehende oder künftige Entgeltansprüche, fließen ihm insoweit keine Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit zu, als er dadurch eine tatsächliche Vermögenseinbuße erleidet.
Sachverhalt
K und seine Ehefrau waren zu je 50 % an einer GmbH beteiligt, deren Gesellschafterbeschlüsse der einfachen Mehrheit bedurften. K war alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Neben dem Monatsgehalt stand ihm Weihnachtsgeld zu. Obwohl die GmbH liquide war, wurde das Weihnachtsgeld 1998–2001 (insgesamt 46.724 DM) nicht ausgezahlt. Der Anstellungsvertrag enthielt hierzu keinen Nachtrag, und die GmbH hatte das Weihnachtsgeld weder als Aufwand gebucht noch dafür Passivposten ausgewiesen.
Das Finanzamt nahm die GmbH mit Haftungsbescheid in Anspruch, soweit für das Weihnachtsgeld keine Lohnsteuer einbehalten worden war. Es berief sich darauf, dass eine Forderung einem beherrschenden Gesellschafter bei Fälligkeit als zugeflossen gelte, wenn dieser darauf nicht klar, eindeutig und im Voraus verzichtet habe. Das FG gab der Klage statt. Der BFH bestätigte auch das FG.
Entscheidung
Auch wenn K kein beherrschender Gesellschafter war, sind die Voraussetzungen zu klären, unter denen Gehaltsteile bei einem beherrschenden Gesellschafter als zugeflossen gelten, obwohl er darauf verzichtet hatte.
Es gibt 4 Möglichkeiten des Geldzuflusses, nämlich Barzahlung, Gutschrift auf dem Bankkonto, Gutschrift in den Büchern der GmbH und Zuflussfiktion beim beherrschenden Gesellschafter. Letztere wird damit begründet, dass ein solcher Gesellschafter über die Vergütung bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit verfügen kann. Dies gilt allerdings nur für Vergütungen, die sich bei der Ermittlung des Einkommens der GmbH auch ausgewirkt haben. Deshalb fingiert nicht jeder Verzicht eines beherrschenden Gesellschafters den Zufluss.
Kein Zufluss liegt vor, wenn der Gesellschafter gegenüber der GmbH auf bestehende oder künftige Ansprüche ohne Ausgleich verzichtet und dadurch eine Vermögenseinbuße erleidet. Leistet er dagegen eine (verdeckte) Einlage, erleidet er keine Vermögenseinbuße, sondern schichtet nur sein Vermögen um.
Danach war das Weihnachtsgeld K nicht zugeflossen, weder bar noch durch Gutschrift auf dem Bankkonto oder in den Büchern der GmbH – aber auch nicht kraft Zuflussfiktion. Denn die GmbH hat das Weihnachtsgeld bei der Ermittlung ihres Einkommens unberücksichtigt gelassen, weder Aufwand gebucht noch Rückstellungen gebildet. Der Zufluss war auch nicht mit einer verdeckten Einlage zu begründen. Denn der Verzicht hat nicht zum Wegfall einer zuvor passivierten Verbindlichkeit der GmbH und einer Vermehrung ihres Vermögens und Ertragsfähigkeit geführt.
Link zur Entscheidung
BFH, 3.2.2011, VI R 4/10.