Leitsatz
Entsteht bei einem Steuerpflichtigen mit Einkünften aus Gewerbebetrieb infolge eines Verlustabzugs nach § 10d EStG in Zusammenhang mit der Steuerermäßigung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 EStG ein sog. Anrechnungsüberhang, kann der Steuerpflichtige nicht die Festsetzung einer negativen Einkommensteuer in Höhe des verfallenden Anrechnungsbetrags beanspruchen.
Sachverhalt
Eine Steuerpflichtige bezieht u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Miterbin einer Erbengemeinschaft. In der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2001 hat das Finanzamt die Einkommensteuer mit 0 EUR festgesetzt, da sich aufgrund eines Verlustabzugs nach § 10d EStG ein negatives zu versteuerndes Einkommen ergab. Einen Steuerermäßigungsbetrag nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit Abs. 3 EStG in Höhe des 1,8-fachen anteiligen Gewerbesteuermessbetrags aus der Erbengemeinschaft (Anrechnungsvolumen) konnte die Steuerpflichtige von der tariflichen Einkommensteuer nicht abziehen. Im Einspruchsverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid beantragte sie, eine negative Einkommensteuer in Höhe des 1,8-fachen anteiligen Gewerbesteuermessbetrags festzusetzen. Hilfsweise beantragte sie, den Betrag des nicht ausgeschöpften Anrechnungsvolumens für einen Vor- oder Rücktrag festzustellen. Sie bringt vor, die Steuerermäßigung gehe vorliegend trotz der Belastung mit Gewerbesteuer allein aufgrund des Verlustabzugs ins Leere. Der Verfall ihres nicht nutzbaren Anrechnungsvolumens verstoße gegen den Gleichbehandlungssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Der BFH gibt dem Finanzamt Recht. Die Festsetzung einer negativen Einkommensteuer in Höhe des verfallenden gewerbesteuerlichen Anrechnungsvolumens ist gesetzlich nicht vorgesehen. Dieses Ergebnis begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Ein Steuerermäßigungsbetrag aus § 35 EStG kann nicht von der tariflichen Einkommensteuer abgezogen werden, weil diese nach dem durchgeführten Verlustabzug nach § 10d EStG "Null" beträgt. Das potenzielle Anrechnungsvolumen in Höhe des 1,8-fachen Gewerbsteuermessbetrags verfällt, sodass die Steuerentlastung durch den Verlustabzug nach § 10d EStG wegen Minderung der tariflichen Einkommensteuer auf Null die konkurrierende Steuerermäßigung aus § 35 EStG verdrängt. Eine Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungssatzes aufgrund dieser Gesetzeslage liegt nicht vor. Der Gesetzgeber wollte, dass die "Anrechnung der Gewerbesteuer" lediglich in den Fällen vorgenommen werden soll, in denen eine kumulative Belastung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb durch Einkommen- und Gewerbesteuer vorliegt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil v. 23.4.2008, X R 32/06.